Betriebskrankenkassen: Reform des Finanzausgleichs vor der Wahl

Das Gezerre um den Finanzausgleich zwischen den gesetzlichen
Krankenkassen nimmt wieder an Heftigkeit zu. Die Kassen wollen
Änderungen - und zwar jetzt.

Berlin (dpa) - Die Betriebskrankenkassen (BKK) dringen auf Änderungen
des Finanzausgleichs zwischen den gesetzlichen Krankenkassen noch vor
der Bundestagswahl 2017. Die Chefin des BKK-Landesverbandes Bayern,
Sigrid König, sagte der Deutschen Presse-Agentur, für die
Wettbewerbsneutralität unter den einzelnen Kassen und damit für die
Entwicklung der Zusatzbeiträge sei es sehr wichtig, dass die Reform
bald angegangen werde. Dies sei auch möglich, «weil die Daten seit
2011 auf dem Tisch liegen».

In dieser Diskussion geht es um den sogenannten
Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA), der bei der Zuweisung aus dem
Gesundheitsfonds Unterschiede zwischen den Krankenkassen nach Zahl
und Schwere der erkrankten Versicherten ausgleichen soll.
Hauptnutznießer der jetzigen Regelung sind nach Ansicht der meisten
Kassen die AOKen. Das Bundesversicherungsamt und Gesundheitsminister
Hermann Gröhe (CDU) sehen keinen akuten Änderungsbedarf.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) erklärte am Sonntag,
Bayern dringe auf nachhaltige Reformen. «Wenn ein regionaler
Ausgleichsfaktor weiter von Berlin blockiert wird, muss der
Gesundheitsfonds insgesamt auf den Prüfstand.» Derzeit würden die
Leistungsausgaben der Krankenkassen in einer Hochlohn- und
Hochpreisregion wie Bayern «von den Zuweisungen des Gesundheitsfonds
nicht abgedeckt». Zugleich hätten die bayerischen Versicherten 2011
bis 2014 insgesamt über 5,5 Milliarden Euro mehr geleistet.

Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch,
plädiert für eine Überprüfung des gesamten Morbi-RSA. «Derzeit ko
mmen
unzählige Kassen oder Kassenarten mit ihren Wünschen um die Ecke,
immer mit dem Argument, durch diese und jene Änderung werde der
Morbi-RSA gerechter. Dass dahinter reine Interessenpolitik steckt,
ist auch klar.»

König verlangte in drei Punkten sofortige Änderungen. So müsse
dringend ein «Regionalfaktor» eingeführt werden, weil die Kosten der

Gesundheitsversorgung zwischen Ballungsräumen und ländlichen Regionen
zum Teil extrem unterschiedlich hoch seien. Manche regional tätigen
Kassen bekommen in Hochpreisregionen wie München oder Hamburg nicht
das Geld aus dem Gesundheitsfonds zugewiesen, das sie für die
Versorgung ihrer Patienten eigentlich bräuchten.

Auch beim Krankengeld, das stark von den Lohnkosten abhängig sei,
könne man zielgenauer ausgleichen. Dazu müssten Faktoren wie die
Region, das Einkommen oder die Branche des Versicherten präziser
berücksichtigt werden. «Der Ausgleich beim Krankengeld ist derzeit
sehr, sehr ungenau», sagte König.

Zudem müsse das Verteilungskriterium Erwerbsminderungsrente
gestrichen werden. Danach bekommen Kassen bei gleicher Erkrankung
ihrer Patienten dann mehr zugewiesen, wenn der Versicherte nach einer
Vollbeschäftigung eine Erwerbsminderungsrente bezieht. Die Differenz
mache zum Teil mehrere tausend Euro aus.