Jesuiten: Noch keine Entschädigung nach Missbrauch Gespräch: Anja Sokolow, dpa

Vor einem halben Jahr wurden sexuelle Missbrauchsfälle in
deutschen Jesuitenschulen bekannt. Entschuldigungen und Berichte gab
es bereits. Auf eine Entschädigung warten aber die Opfer noch immer.

München/Berlin (dpa) - Ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des
sexuellen Missbrauchs an Jesuitenschulen hat noch keines der Opfer
eine Entschädigung bekommen. Der Orden wolle eine bundesweite
Regelung abwarten, die am Runden Tisch mit Vertretern von
Regierung, Kirche und Verbänden gefunden werden soll, sagte der
Sprecher des Jesuitenordens, Thomas Busch, in einem Gespräch mit der
Nachrichtenagentur dpa. Bundesweit haben sich bisher wegen des
Missbrauchs mehr als 200 ehemalige Jesuitenschüler gemeldet.

An diesem Montag will die Betroffenengruppe «Eckiger Tisch» im
Berliner Abgeordnetenhaus über den Stand der Aufarbeitung
informieren. Eingeladen ist auch die frühere Grünen-
Gesundheitsministerin Andrea Fischer. Sie war von dem Orden
beauftragt worden, zu untersuchen, welche Konsequenzen die Jesuiten
aus den Missbrauchsfällen ziehen müssen.

Laut Busch ist der Orden schnell selbst aktiv geworden: «Im Zuge
der Aufklärungsarbeit hat es bereits frühzeitig auch da personelle
Konsequenzen gegeben, wo Beschuldigte und Täter noch in Verantwortung
gestanden haben.» Der Direktor des Aloisiuskollegs, Pater Theo
Schneider, sei im Sinne einer lückenlosen Aufklärung im Februar
zurückgetreten. Ein Priester aus Frankfurt am Main sei vom Dienst
suspendiert worden. Die Vorwürfe richteten sich insgesamt gegen 44
Patres, wobei zwölf von mehreren Opfern beschuldigt wurden.

Für eine finanzielle Entschädigung warte der Orden auf eine
bundesweite Lösung: «Es kann nicht sein, dass ein Opfer eines
Sportvereins mehr oder weniger bekommt, als das Opfer einer
kirchlichen Einrichtung», sagte Busch. Schließlich seien auch andere
Organisationen von Missbrauchsfällen betroffen.

«Da, wo es gewünscht war, hat sich der Provinzial in einem
persönlichen Brief entschuldigt», erklärte Busch. Drei frühere Tä
ter
hätten sich zudem persönlich erklärt. Die Schreiben stünden im
Internet und seien auf Wunsch auch an die Opfer geschickt worden.
Darüber hinaus habe der Verein Hilfe bei Therapien angeboten und
diese in zwei Fällen auch gezahlt.

In den drei Jesuitengymnasien würden Präventionspläne, zu denen
auch Informationsveranstaltungen gehören, erarbeitet und seien zum
Teil bereits umgesetzt, sagte Busch. In Berlin gebe es zum
Beispiel Kooperationen mit Vereinen, die Erfahrung in der
Missbrauchsarbeit haben.

Aus Sicht des Ordens seien die Geschehnisse bislang gut
dokumentiert worden. Zum Bonner Aloisiuskolleg gebe es aber noch
offene Fragen. Damit beschäftige sich ein Team um die Kölner Juristin
Julia Zinsmeister. Das erste Gutachten von der
Missbrauchsbeauftragten des Ordens, Ursula Raue, sei unter großem
Zeitdruck erarbeitet worden, sagte Busch.

Im Orden werde aber nach wie vor um die Sprache gerungen, wie die
Vorwürfe und Fakten zu verarbeiten seien. Der vor einem halben Jahr
in Gang gesetzte Diskussionsprozess sei lang noch nicht abgeschlossen
ist. «Zudem schaut man bei Ordenseintritten mittlerweile noch genauer
hin: Was sind das für Kandidaten die Jesuiten werden wollen?», sagte
Busch. Wenn das Menschen mit einer labilen psychischen Verfassung
oder erkennbaren sexuellen Problemen seien, könne es nicht sein, dass
sie Mitglied der Ordensgemeinschaft werden.


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- [Orden](http://www.jesuiten.org/)
- [Eckiger Tisch](http://www.eckiger-tisch.de)

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