Ein «moderat» erfolgreicher Doppelschlag gegen HIV Von Thilo Resenhoeft, dpa

Hamburg (dpa) - Das Aidsvirus ist ein mächtiger, tückischer
Gegner. Weit mehr als 25 Millionen Menschen hat es bereits getötet.
Einen Impfstoff dagegen gibt es derzeit nicht - die klassischen
Methoden der Entwicklung versagen. Denn im Blut entstehen rasch immer
wieder neue Varianten des Erregers, die das Immunsystem des Menschen
überrennen. Neue Resultate eines weit fortgeschrittenen Impftests in
Thailand machen nun aber zumindest Hoffnung, dass Hilfe im Prinzip
möglich ist. Von einer Zulassung ist das Präparat indes weit entfernt
und ein medizinischer «Durchbruch» sind die Resultate auch nicht.
«Moderat», so schätzt der Hersteller Sanofi-Pasteur die Wirkung
selbst ein.

HIV dringt in Immunzellen ein, vermehrt sich darin und zerstört
seinen Wirt dabei. Damit fällt die Steuerzentrale des Immunsystems
aus - Bakterien und andere Viren überschwemmen den zunehmend
wehrlosen Körper. Die Strategie von Aventis-Pasteur: Das Immunsystem
soll HIV kennen, lange bevor es zur Infektion kommt. Ein für den
menschlichen Körper ungefährliches Vogelvirus wird dafür mit der
genetischen Informationen für einige Proteine von HIV beladen. Dieses
Gentaxi wird den Probanden gespritzt, und deren Körper produziert
daraufhin Teile des Virus, aber nicht den ganzen Erreger.

Das Immunsystem erkennt die fremden Bruchstücke und soll seine
«Killerzellen» aktivieren. Diese derart trainierten Zellen, so lautet
die Strategie, sollen im Fall der Fälle die tatsächlich von HIV
befallenen Zellen des Körpers aufspüren, eliminieren und dem Virus so
die Chance zur Vermehrung nehmen. Dieses Viren-System trägt den Namen
Alvac.

Die nun getesteten Thailänder erhielten indes noch einen zweiten
Wirkstoff, nämlich große Mengen eines gereinigten HIV-Proteins. Diese
sogenannte Aidsvax-Komponente soll einen weiteren Zweig des
Immunsystems alarmieren. Dies Doppelschlag-Verfahren nennt sich
«prime-boost», ein erster Wirkstoff soll durch den zweiten verstärkt
werden.

Rund 16 000 Menschen wurden in den vergangenen Jahren auf diese
Weise behandelt. Nach Angaben des Herstellers gab es mit Impfstoff
31,2 Prozent weniger HIV-Infektionen als mit einem Scheinimpfstoff
(Placebo). Andere Impfstoffe für andere Krankheiten schützen weitaus
besser. Tatsächlich gab es vor dem Beginn des Tests warnenden
Stimmen: Die Untersuchung habe nur geringe Aussichten auf Erfolg,
monierten Forscher von 18 hochrangigen US-Instituten 2004 im Journal
«Science» (Bd. 393, Nr. 5656). Im schlimmsten Fall würde ein wenig
aussichtsreiches Resultat das Vertrauen der Menschen in die Forschung
erschüttern, warnten sie.

Das Präparat wecke Hoffnungen für die Impfstoffforschung,
schreiben nun jedoch die WHO und UNAIDS. Beide Organisationen haben
vielfältige Erfahrungen damit, schlechte Nachrichten über den Erreger
zu vermelden. Nun meinen sie, dass ein sicherer und hocheffektiver
HIV-Impfstoff Wirklichkeit werden könne - trotz der «mäßigen»
Wirksamkeit von rund 30 Prozent. Die wissenschaftlichen Details
werden erst Ende Oktober vorgestellt.

HIV bleibt aber weiter ein bedrohlicher Gegner, denn wenn es sich
vermehrt, baut es ungewöhnlich viele Fehler in seine neue Erbsubstanz
ein und wandelt sich damit stark. Ein «Durchbruch» ließe sich
vermelden, wenn die trainierten Immunzellen extrem viele HIV-
Varianten erkennen, auch die stark abgewandelten und die von
Patientengruppen aus vielen Teilen der Welt. Ein solcher Erfolg
zeichnet sich derzeit nicht ab. Viele Wissenschaftler haben sich
wieder der Grundlagenforschung zugewandt, um ihren Gegner noch besser
kennenzulernen.

Der hat auch im Licht der Daten aus Thailand nichts von seinem
Schrecken verloren. Derzeit sind etwa 33 Millionen Menschen mit HIV
infiziert, jährlich sterben rund 2 Millionen Patienten.

dpa tr yyzz a3 hu