Theologe Küng plädiert für liberale Sterbehilfe-Gesetze

Frankfurt/Tübingen (dpa) - Angesichts des Schicksals seines
dementen Freundes Walter Jens (85) plädiert der katholische Theologe
Hans Küng (80) für eine eindeutige und liberale Gesetzgebung zur
Sterbehilfe. In einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine
Zeitung» («FAZ»/Samstagausgabe) erinnerte Küng daran, dass er und
Jens in einem gemeinsamen Buch sogar für die aktive Sterbehilfe etwa
durch eine tödliche Morphium-Dosis Partei ergriffen haben. Walter
Jens, der durch seine Demenz inzwischen kaum noch mit anderen
Menschen kommunizieren könne, habe zu Beginn der Krankheit mehrmals
den Wunsch geäußert: «Es ist schrecklich. Ich möchte sterben»,
berichtete Küng.

Die beiden befreundeten Gelehrten leben in Tübingen nur wenige
Fußminuten voneinander entfernt. Küng zitierte in seinem «FAZ»-
Beitrag aus dem gemeinsamen Buch «Menschenwürdig sterben. Ein
Plädoyer für Selbstverantwortung», das Jens gemeinsam mit ihm
geschrieben habe: «Millionen von Menschen könnten, wie Hans Küng und
ich, gelassener ihrer Arbeit nachgehen, wenn sie wüssten, dass ihnen
eines Tages ein Arzt zur Seite stünde: kein Spezialist, sondern ein
Hausarzt wie Dr. Max Schur es war, einer der bewundernswertesten
Männer dieses Jahrhunderts, der nicht zögerte, seinem Patienten
Sigmund Freud die tödliche Morphium-Dosis zu geben.»

Zwar ist das Leben, wie Küng schrieb, «eine gottgegebene Aufgabe
des Menschen, die er möglichst bis zur letzten Phase seines Lebens
selbstverantwortlich wahrzunehmen hat». Da das Sterben allerdings zum
Leben dazugehöre, solle auch das Sterben menschenwürdig sein. Damit
verstieße die Sterbehilfe nicht gegen Selbstverständlichkeiten des
christlichen Glaubens. An die Kirchen appellierte Küng, nicht in
Schwarweißmalerei ein angeblich christliches Menschenbild gegen ein
weltanschaulich-humanistisches auszuspielen und «theologische
Pseudoargumente gegen die Selbstverantwortung des Menschen in seiner
letzten Lebensphase» weiterzukolportieren.

Von Juristen und Politikern forderte Küng stärkere Bemühungen fü
r
eine weitreichende Patientenautonomie und somit für «humanere
Sterbehilfegesetze». Außerdem müsse in Deutschland die
Palliativmedizin, also die Versorgung von Menschen in der letzten
Lebensphase gestärkt werden. Schließlich müssten die Menschen ehrlich
über den Tod nachdenken und sich austauschen. Nur durch Anregungen zu
einer «Ars moriendi», einer «Kunst des Sterben», könne irreführ
enden
Illusionen und unnötigen Ängsten über den Tod begegnet werden,
schrieb der Tübinger Professor.

Die öffentliche Diskussion über das Leiden von Walter Jens war
zuletzt durch eine Buchveröffentlichung seines Sohns Tilman sehr
intensiv geführt worden. Tilmann Jens hatte über seinen alten Vater
geschrieben, wie er gewindelt werde und in sein Babyfon stammele.
Sein Buch «Demenz - Abschied von meinem Vater» war mit 15 000
Exemplaren nach vier Tagen ausverkauft.
dpa mhe yysw z2 k6 mh