Patientenverfügung: Patient entscheidet über Grenzen der Medizin

Hospiz Stiftung will Beratungspflicht bei Patientenverfügungen

Ethikrat: Patient entscheidet über Grenzen der Medizin
Jeder Mensch kann nach Auffassung des Nationalen Ethikrates für den Fall einer späteren Entscheidungsunfähigkeit die Grenzen seiner medizinischen Behandlung verbindlich festlegen. Per Gesetz sollte dabei sicher gestellt werden, dass eine solche Patientenverfügung etwa im Fall eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung für Arzt und Pflegepersonal tatsächlich auch bindend ist, erläuterte Ethikrats-Präsident Spiros Simitis am Donnerstag bei der Vorlage einer entsprechenden Empfehlung in Berlin.

Aktive Sterbehilfe hingegen lehnt der Ethikrat entschieden ab. Das Votum «für oder gegen eine spätere medizinische Behandlung» schließe auch «die Durchführung, den Abbruch oder das Unterlassen medizinisch indizierter lebenserhaltender Maßnahmen« ein - «keinesfalls jedoch Maßnahmen der aktiven Sterbehilfe», heißt es in der mit Mehrheit von den Mitgliedern des Ethikrates verabschiedeten Empfehlung. Er berät die Bundesregierung in ethischen Fragen der Gentechnik und der Medizin. Ihm gehören Wissenschaftler, Theologen und ehemalige Politiker an.

Etwa sieben Millionen Menschen in Deutschland haben Schätzungen zufolge bisher in schriftlicher Form Festlegungen über die Grenzen einer späteren medizinischen Behandlung gemacht. Eine solche Patientenverfügung dürfe nicht nachträglich vom Arzt «auf bestimmte Phasen der Erkrankung beschränkt werden», sagte Simitis. Liegt dagegen keine Verfügung vor, werde der Arzt selbstverständlich «im Zweifel immer für das Leben entscheiden», sagte der Vize-Vorsitzende des Ethikrates, Eckard Nagel. Im Herbst 2005 will der Ethikrat eine Gesamtempfehlungen zur Sterbebegleitung in Deutschland vorlegen.

Sterbegesellschaft fordert Gesetz zur Patientenverfügung
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), Karlheinz Wichmann, fordert ebenfalls dringend eine gesetzliche Regelung der so genannten Patientenverfügung und damit der Sterbehilfe. «Es gibt bereits sieben Millionen Patientenverfügungen in Deutschland, sagte Wichmann der Mainzer «Allgemeinen Zeitung». Das bedeute: Wenn ein Patient im Koma liege und das Vormundschaftsgericht zustimme, dann könne der Arzt bei einem unumkehrbaren Leiden lebenserhaltende Maßnahmen beenden, wenn der Patient dies früher so verfügt habe.

Hospiz Stiftung will Beratungspflicht bei Patientenverfügungen
Die Deutsche Hospiz Stiftung macht sich für eine Beratungspflicht bei Patientenverfügungen stark. «Bei jedem Grundstückserwerb muss man sich notariell beraten lassen - da sollte man bei Fragen von Leben oder Tod erst recht fachkundige Beratung in Anspruch nehmen», sagte der Vorsitzende Eugen Brysch.

Die Deutsche Hospiz Stiftung hat einen eigenen Gesetzentwurf zu den Patientenverfügungen vorgelegt. Nach dem Vorschlag der Stiftung müssen Patientenverfügungen nach der Beratung schriftlich verfasst und alle zwei Jahre aktualisiert werden. Die konkrete Entscheidungssituation sei dabei zu berücksichtigen, sagte Brysch. Im Gegensatz zur Enquete-Kommission «Ethik und Recht der modernen Medizin» wolle man die Gültigkeit einer Verfügung nicht auf unmittelbar tödliche Krankheiten oder den Sterbeprozess begrenzen.

Zugleich setze die Stiftung aber engere Grenzen als das Bundesjustizministerium, das auch mündliche Erklärungen als gültige Patientenverfügung verstünde. «Wir wollen die Grabenkämpfe zwischen Kommission und Ministerium auflösen und einen tragfähigen Kompromiss anbieten», sagte Brysch.

Sollte ein Vormundschaftsrichter den mutmaßlichen Willen eines schwer kranken Patienten ermitteln müssen, darf sich dieser nach Ansicht der Hospiz Stiftung nur auf konkrete Äußerungen des Betroffenen stützen. «Allgemeine Wertvorstellungen dürfen da keine Rolle spielen», betonte der Vorsitzende. «Dann bestimmen gesellschaftliche Vorstellungen, was der Mensch zu denken hat.»

dpa