Urologie-Chefarzt: Männer müssen Prostata-Vorsorge ernster nehmen

Ignoranz der Krankenkassen stehe im Gegensatz zu den lebensrettenden Möglichkeiten

Männer müssen nach Überzeugung des Urologie-Chefarztes Markus Graefen die Vorsorge vor Prostatakrebs wesentlich ernster nehmen. «Vier Prozent aller Todesfälle bei Männern gehen inzwischen auf Tumoren der Prostata zurück», sagte der Chefarzt der Martini-Klinik am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) Gespräch. Damit ist Prostatakrebs die häufigste Tumorerkrankung bei Männern. Aber nur 17 Prozent der Männer nutzen das Angebot zu Vorsorge. Neben den Tastuntersuchung sei die Bestimmung des PSA-Wertes im Blut wichtig.

Eine frühe Krebserkennung sei aus mehreren Gründen entscheidend, sagt der Privatdozent. Wie bei anderen Karzinomen auch betrage die Heilungschance 90 Prozent, solange nur der Tumor auf das Organ beschränkt ist. Wenn der Tumor bereits in benachbartes Gewebe eingewachsen ist, sinkt diese Rate auf etwa 50 Prozent. «Außerdem können bei der Operation die neben der Prostata liegenden Nerven und Blutgefäße geschont werden, wenn der Tumor organbegrenzt ist», sagte Graefen. Bei einer nervenschonenden radikalen Operationen können meist Impotenz und Inkontinenz vermieden werden.

Die Bestimmung des prostataspezifischen PSA-Wertes bringt nach Graefens Überzeugung große Vorteile, weil die Tastuntersuchung erst bei großen Tumoren wirksam ist. Ein erhöhter PSA-Wert alleine sei kein Nachweis für Krebs, aber Grund zu weiteren Untersuchungen. «Der PSA-Wert ist prostataspezifisch aber nicht tumorspezifisch», sagte der Urologe. Um das Risiko besser abschätzen zu können, steht auf der Internetseite der Martini-Klinik ein Risiko-Kalkulator zur Verfügung, der aus zwei verschiedenen PSA-Werten, dem Tastbefund und dem Alter das persönliche Risiko eines Mannes für einen Tumor errechnet. «Die Ergebnisse sind besser als die Einschätzung erfahrener Ärzte», sagt Graefen, der wesentlich an der Entwicklung beteiligt war. Grundlage waren die Diagnosen bei 1700 Patienten.

Graefen rät, die Prostata-Vorsorgeuntersuchung im Alter von 45 Jahren zu beginnen, wenn es Fälle von Prostatakrebs in der Familie gibt, bereits mit 40. Die Bestimmung des PSA-Wertes kostet rund 20 Euro. «Das ist gut angelegtes Geld», sagte er. Er hoffe, dass die Krankenkassen in Zukunft diese Vorsorgekosten übernehmen, weil das am Ende auch Geld bei der Therapie spare. «Die Faktenlage ist erdrückend.» Allerdings müssten Ärzte mit den Ergebnissen differenziert umgehen, weil ein erhöhter PSA-Wert Angst auslöst, aber nicht unbedingt einen Tumor anzeigt. Besonders bei Männern älter als 70 sei sensible Beratung nötig. Denn wer im höheren Alter einen Prostata-Tumor bekomme, «stirbt mit dem Tumor, aber nicht an ihm», sagte Graefen.

Andere Urologen warnen vor Schnelltests zur Prostata-Krebserkennung

Vor dem Gebrauch von Schnelltests zur Früherkennung von Prostata-Krebs haben Urologen mit Nachdruck gewarnt. Die beispielsweise in Apotheken erhältlichen Tests, die das Prostata-spezifische Antigen (PSA) im Blut anzeigen, seien zu einem Drittel im Bereich kritischer Werte nicht zuverlässig. «Wir können nur abraten», sagte der Direktor der Urologie-Universitätsklinik Halle-Wittenberg, Prof. Paolo Fornara, beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie in Düsseldorf. Zudem lasse sich mit diesem Schnelltest eine mögliche dynamische Entwicklung der PSA-Werte nicht erkennen, die auf das Entstehen des Tumors hinweisen könnten.

Die höchste Diagnose-Genauigkeit für das Prostata-Karzinom habe eine Kombination aus der üblichen Tastuntersuchung durch den Enddarm des Mannes mit der PSA-Untersuchung, sagten die Fachärzte. Allerdings übernähmen die Kassen die PSA-Kosten erst bei einem begründeten und ertastbaren Krebsverdacht. Dann sei es aber für eine Heilung des Prostata-Krebses, an dem jährlich 40 000 Patienten in Deutschland neu erkrankten, oft schon zu spät. Diese «Ignoranz der medizinischen Dienste der Krankenkassen» stehe im Gegensatz zu den lebensrettenden Möglichkeiten der modernen Medizin, kritisierte der Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Urologen, Klaus Schalkhäuser. Männer müssten hier die gleichen Rechte haben wie Frauen bei der Vorsorgeuntersuchung auf Brustkrebs.

Ob die Früherkennung durch den PSA-Wert die Sterblichkeitsrate durch das Tumorleiden wirklich verringern könne, werde wissenschaftlich noch kontrovers diskutiert, hieß es auf dem Kongress. Hier würden größere Studienergebnisse für 2008 erwartet. Fest stehe derzeit, dass auch bei erhöhten Werten vor einer möglichen Operation der Prostata Gewebeproben untersucht werden müssten. Angesichts der Altersentwicklung in der Bevölkerung rechnen die Urologen damit, dass der Prostata-Krebs «eine Volkskrankheit wird - so wie heute die Zuckerkrankheit».