Die Gesundheitsreform 2003 auf einen Blick

Was ändert sich für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung?


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DIESE SEITE IST EINE ARCHIVSEITE. EINIGE RECHTLICHE REGELUNGEN HABEN SICH GEÄNDERT.

Praxisgebühr: Pro Quartal müssen Patienten eine Praxisgebühr von zehn Euro zahlen, wenn sie zu einem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten gehen. Die Gebühr fällt auch an, wenn es sich etwa um einen Notfall handelt, der Patient eine telefonische Beratung einholt oder ein Rezept verlängert. Gezahlt wird nur für die erste Konsultation im Quartal. Wer mit einer Überweisung zum Facharzt geht, zahlt nichts. Auch Versicherte unter 18 Jahren sind von der Praxisgebühr befreit. Auch Vorsorgeuntersuchungen, Schutzimpfungen und Untersuchungen während der Schwangerschaft werden vorgenommen, ohne dass Praxisgebühr fällig wird.

Zuzahlungen: Für verschriebene Medikamente und Verbandmittel zahlen Versicherte ab 2004 zehn Prozent des Preises, mindestens jedoch fünf und höchstens zehn Euro. Die Zuzahlung darf nicht höher sein als der Preis des Mittels. Auch für Hilfsmittel, wie Hörgeräte, trägt der Versicherte in Zukunft zehn Prozent der Kosten, maximal jedoch zehn Euro. Bei häuslicher Krankenpflege und Heilmitteln, wie etwa Massagen, fallen nicht nur 10 Prozent der Kosten an, sondern zusätzlich zehn Euro je Verordnung. Für häusliche Pflege entfällt die Zuzahlung ab dem 29. Tag.

Bei einem Aufenthalt im Krankenhaus, bei stationärer Vorsorge und bei stationärer Rehabilitation muss der Patient die ersten 28 Tage zehn Euro pro Tag selbst tragen und ist danach von Zuzahlungen befreit. Bei der Haushaltshilfe zahlen Versicherte ab 2004 zehn Prozent der kalendertäglichen Kosten, jedoch mindestens fünf und höchstens zehn Euro. Die Zuzahlungen für Soziotherapie betragen ebenfalls ab 2004 zehn Prozent der kalendertäglichen Kosten, mindestens aber fünf und maximal zehn Euro.

Belastungsobergrenze: Für Zuzahlungen, die aufgrund der Praxisgebühr, bei Medikamenten und durch die Selbstbeteiligung im Krankenhaus entstehen, gibt es eine Obergrenze: Sie dürfen zwei Prozent und bei chronisch Kranken ein Prozent des Bruttoeinkommens nicht überschreiten. Familien werden mit einem jährlichen Freibetrag von 3.648 Euro pro Kind entlastet. Sie sollten sich also künftig einen Beleg über die Zuzahlung als Nachweis für die Versicherung ausstellen lassen.

Was nicht mehr bezahlt wird:

  • Brillen und Sehhilfen dürfen die Kassen nur noch für Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und für schwer sehbeeinträchtigte Versicherte bezuschussen.
  • Nicht verschreibungspflichtige Medikamente werden nicht mehr erstattet. Ausnahmen gelten für Kinder bis zum 12. Lebensjahr, Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen und Schwerkranke, bei denen das Mittel zum Therapiestandard gehört.
  • Arzneimittel, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht (sogenannte Life-Style-Produkte wie Haarwuchsmittel, potenzsteigender Mittel und Arzneimittel zur Regulierung des Körpergewichts) fallen ebenfalls aus dem Leistungskatalog.
  • Fahrten zur ambulanten Behandlung werden nicht mehr übernommen, wobei die Krankenkasse von diesem Ausschluss Ausnahmen machen kann.
  • Bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus werden Fahrtkosten nur noch übernommen, wenn die Verlegung aus zwingend medizinischen Gründen erforderlich ist oder bei einer mit Einwilligung der Krankenkasse erfolgten Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus.
  • Das Sterbegeld und die Entbindungshilfe entfallen ganz.
  • Eine Sterilisation wird nur noch von die Krankenkasse bezahlt, wenn sie medizinisch notwendig ist (zum Beispiel wenn eine Schwangerschaft die Frau gefährden würde).
  • Bei der künstlichen Befruchtung trägt die Krankenkasse nur noch bei drei anstatt vier Befruchtungsversuchen die Kosten und hiervon auch nur 50 Prozent. Eine Bezuschussung erfolgt nur bei Frauen, die zwischen 25 und 40 Jahren und bei Männern zwischen 25 und 50 Jahren.

Apotheken und Arzneimittel: Wie in anderen europäischen Staaten können Patienten zukünftig auch in Deutschland Medikamente über Versandapotheken oder Internetapotheken bestellen. Für verschreibungspflichtige Medikamente müssen natürlich Rezepten vorgelegt werden.

Während bislang das sogenannte Mehrbesitzverbot galt, dürfen Apotheker in Zukunft bis zu vier Verkaufsstellen für Medikamente betreiben. Für jedes verschreibungspflichtige Medikament, das sie verkaufen, erhalten Apotheker künftig unabhängig von Größe und Preis der Packung ein einheitliches Abgabehonorar von 8, 10 Euro zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von drei Prozent des Apothekeneinkaufspreises. Der Verkauf von teuren patentgeschützten Präparaten, die sich in der Wirkung von preisgünstigeren Medikamenten (Generika) nicht unterscheiden, soll dadurch unattraktiv gemacht werden. Sowohl die Patienten als auch die Krankenkasse sparen beim Kauf eines günstigeren Präparats. Apotheken sind dazu verpflichtet, bei Nachfrage Generika herauszugeben. Sie müssen importierte Arzneimittel vorhalten, die im Ausland mindestens 15 Prozent oder 15 Euro günstiger sind als das Originalprodukt in Deutschland.

Die Preise für nicht verschreibungspflichtige Medikamente werden nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben, sondern können von den Apotheken festgelegt werden. Hier wird sich ein stärkerer Wettbewerb entwickeln.

Zahnersatz: Das Gesetz verpflichtet die Kassen, den allgemeinen Beitragssatz, der jeweils zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt wird, um 0,9 Prozentpunkte zu senken. Zugleich wird der - ausschließlich von den Arbeitnehmern zu tragende - Sonderbeitrag für den Zahnersatz um 0,4 Punkte und für das Krankengeld um 0,5 Punkte erhöht. Unter dem Strich führt dies zu einer Entlastung der Arbeitgeber. Die Arbeitnehmer müssen beispielsweise bei einem Beitragssatz von 14 Prozent künftig 7,45 statt bisher 7,0 Prozent bezahlen.

Vom 1. Juli 2005 an sieht die Rechnung - am Beispiel eines Beitragssatzes von 14 Prozent, von dem jeweils sieben Prozent vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer getragen werden - also so aus: Der Zahnersatz bleibt eine Kassenleistung, der höhere Beitrag dafür ist aber keine Pauschale, sondern einkommensabhängig. Zunächst wird per Gesetz der Beitrag um 0,9 Punkte gesenkt, im Beispielfall also auf 13,1 Prozent. Davon zahlt der Arbeitgeber die Hälfte, also 6,55 (statt 7,0) Prozent. Zugleich zahlt der Arbeitnehmer aus eigener Tasche zusätzlich 0,4 Punkte für den Zahnersatz und 0,5 Punkte für das Krankengeld. Sein Beitrag von 6,55 Prozent erhöht sich also um 0,9 Prozentpunkte auf 7,45 Prozent.

Krankengeld: Ab 2006 müssen die Versicherten das Krankengeld mit einem Sonderbeitrag von 0,5 Prozent ihres Bruttolohnes finanzieren. Die Arbeitgeber beteiligen sich dann nicht mehr an den Kosten des Krankengeldes. Dieses wird weiterhin von der siebten Woche an in der bisherigen Höhe gezahlt.

Ambulante Behandlung im Krankenhaus: In Krankenhäusern können ab 2004 auch im ambulanten Bereich hoch spezialisierte fachärztliche Leistungen angeboten werden. Besonders bei chronisch Kranken oder im ländlichen Raum, wo die medizinische Versorgung durch niedergelassenen Fachärzte nicht ausreicht, kann das Krankenhaus einspringen.

Hausarztsystem: Die Krankenkassen müssen zukünftig ihren Versicherten ein Hausarztsystem anbieten. Patienten können sich im Rahmen des Programms für einen Hausarzt als ständigen Partner entscheiden, den sie regelmäßig zuerst konsultieren. Wer mitmacht, verpflichtet sich für mindestens ein Jahr immer erst zu seinem Hausarzt zu gehen. Für die Behandlung beim Facharzt ist eine Überweisung nötig. Die Krankenkasse kann Teilnehmer mit einem Bonus belohnen. Hausärzte, die mitmachen wollen, müssen bestimmte Qualifikationen nachweisen (z.B. die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen).

Gesundheitskarte: 2006 soll die bisherige Chipkarte durch eine elektronische Gesundheitskarte mit Lichtbild ersetzt werden. Sie wird die Versicherungsangaben enthalten und alle Daten, die zur Ausgabe eines elektronischen Rezepts notwendig sind. Auf Wunsch kann der Patient Notfalldaten wie die Blutgruppe, Allergien, chronische Erkrankungen und eingenommene Arzneimittel speichern lassen. Dadurch soll ermöglicht werden, dass Ärzte auf Behandlungsdaten schneller zugreifen können. Außerdem kann so zum Beispiel auch verhindert werden, dass mehrere Ärzte Medikamente verschreiben, die sich nicht vertragen.

Kostenerstattung: In Zukunft können nicht nur freiwillig Versicherte bei den gesetzlichen Krankenkassen statt Sach- oder Dienstleistungen die Kostenerstattung wählen. Das heißt, Patienten können Leistungen der Ärzte zunächst selbst bezahlen und anschließend von ihrer Krankenkasse einfordern. Eine Beschränkung der Wahl auf den ambulanten Bereich ist möglich. Versicherte sind vor ihrer Wahl, an die sie mindestens ein Jahr gebunden sind, von der Krankenkasse zu beraten. Kosten werden nur in der Höhe erstattet, die die Krankenkasse bei einer Sachleistung zu tragen hätte.

Bonustarife: Die neue gesetzliche Regelung sieht vor, dass Krankenkassen ihren Versicherten einen Bonus anbieten können, wenn diese sich für ihre Gesundheit engagieren und die Leistungen des Gesundheitssystems nutzen. Dies können sie tun, indem sie regelmäßig an Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen oder qualitätsgesicherten Präventionsmaßnahmen teilnehmen, an einem Chronikerprogramm, am neuen Hausarztsystem oder an einer ebenfalls neu eingeführten integrierten Versorgung. Jede Krankenkasse kann über die Ausgestaltung der Bonustarife individuell entscheiden. Ein Bonus kann zum Beispiel darin bestehen, dass Ermäßigungen bei Zuzahlungen und Praxisgebühren gewährt oder Sachprämien vergeben werden. Möglich ist auch ein Bonus in Form einer Beitragssatzermäßigung. Die meistens Krankenkassen entwickeln noch dieses Jahr entsprechende Programme, die ab Anfang nächsten Jahres oder zum Beginn des zweiten Quartals 2004 gewählt werden können. Bei der Wahl der richtigen Krankenkasse sollten Sie die unterschiedlichen Bonusregelungen unbedingt berücksichtigen. Einen Vergleich der Tarife finden Sie in Kürze in unserer Krankenkassen-Datenbank.

Ausland: Innerhalb der Europäischen Union können gesetzlich Versicherte künftig ohne vorherige Genehmigung der Krankenkasse ambulante medizinische Leistungen in Anspruch nehmen. Patienten können also gezielt einen Arzt im europäischen Ausland aufsuchen. Der Patient muss bei dem ausländischen Arzt in Vorleistung gehen und kann sich bei seiner Krankenkasse die Kosten anschließend erstatten lassen. Dies allerdings maximal in der Höhe, die die Krankenkasse als Sachleistung im Inland zu erbringen hätte.

Bei stationären Leistungen, also Krankenhausaufenthalten, muss jedoch die Zustimmung der Kasse eingeholt werden. Bei einer Notfallbehandlung entweder bei einem Arzt oder in einem Krankenhaus werden die entsprechenden Leistungen weiterhin über den Auslandskrankenschein abgedeckt.

Zusatzversicherungen: Künftig dürfen gesetzliche Krankenkassen ihren Versicherten neben regulären Leistungen Zusatzversicherungen bei privaten Krankenversicherungen vermitteln. Die gesetzliche Krankenkasse kann für ihre Versicherten im Falle einer solchen Vermittlung besondere Konditionen herausschlagen. In unserer Datenbank finden Sie schon Ende Dezember einen Überblick über die Angebote der Kassen.

Finanzierung über Steuern: Leistungen wie das Mutterschaftsgeld, Empfängnisverhütung, Schwangerschaftsabbruch und Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes bleiben in bisherigen Umfang erhalten. Sie werden zukünftig über Steuern finanziert, allerdings weiterhin über die Krankenkassen abgerechnet.

Patientenrechte: Ein von der Regierung eingerichtetes Amt eines Patientenbeauftragten soll dafür sorgen, dass Patientenrechte gewahrt und beachtet werden. Der Patientenbeauftragte, an den sich Versicherte mit Anfragen und Beschwerden richten können, vertritt die Patienteninteressen auf Bundesebene.

Patienten können sich zukünftig von ihrem Arzt nach der Behandlung oder zum Quartalsende eine Patientenquittung ausstellen lassen. Diese enthält eine Aufstellung aller erbrachten Leistungen und Kosten.

Qualitätssicherung: In einem neu einzurichtenden „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ werden Arzneimittel, Therapien und Operationsverfahren nach dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft auf ihren Nutzen untersucht und bewertet. Die Ergebnisse sollen in leicht verständlichen Berichten zugänglich gemacht werden.

Ärzte müssen sich in Zukunft regelmäßig mit qualitätsgeprüften Seminaren fortbilden und dies nachweisen. Andernfalls drohen Honorarkürzungen oder sogar der Entzug der Zulassung. Kassenärzte sollen außerdem ein internes Qualitätsmanagement einführen. Ziele und Ergebnisse dieser Qualitätssicherungsmaßnahmen werden von ihren Organisationen, den Kassenärztlichen Vereinigungen, dokumentiert und jährlich veröffentlicht.

In medizinischen Versorgungszentren (Gesundheitszentren) können alle an der Behandlung beteiligten Ärzte, Therapeuten und anderer Heilberufler zusammenarbeiten. So sollen Medikamente besser abgestimmt, Doppeluntersuchungen vermieden und Therapiepläne besser abgestimmt werden.