Frankreich will die Patienten erziehen

Mehr Zurückhaltung bei Pillenkonsum und Arztbesuch

Als die letzte rot-grüne Bundesregierung zur Gesundheitsreform schritt, fand das Pariser Gesundheitsministerium die Einschnitte «zu radikal» für Frankreich. Stattdessen setzte Frankreich 2004 eine Reform in Gang, die in mehreren Schritten die Patienten zu mehr Zurückhaltung bei Pillenkonsum und Arztbesuch erziehen will. Dies geschieht über Arztgebühren, den Ersatz von Markenmedikamenten durch Generika und die Schaffung einer unabhängigen Behörde zur Bewertung medizinischer Maßnahmen (HAS).

Kernstück der Reform ist die zentrale Erfassung der Gesundheitsdaten jedes Patienten in einem elektronischen «Gemeinsamen medizinischen Dossier» (DMP). Anfang 2007 sollen alle Bürger es haben. Mit Hilfe der Kassenkarte («Carte Vitale») des Patienten können die Ärzte dann alle Daten zu Krankheiten, Diagnosen und Behandlungen abfragen. Dass soll Ärzte von überflüssigen Untersuchungen oder Verschreibungen abschrecken und Missbräuche von Krankschreibungen aufdecken. Und es soll verhindern, dass Patienten von verschiedenen Ärzten Medikamente mit Wechselwirkungen erhalten, was pro Jahr zu 128 000 Einweisungen ins Krankenhaus und zu mehr Todesfällen führt als der Straßenverkehr. Alleine das DMP soll 3,5 Milliarden Euro pro Jahr sparen helfen.

Mit Praxisgebühren greift die Reform in die Arztwahl der Patienten ein. Seit Anfang 2006 bekommen die Franzosen von 20 Euro Gebühr beim Allgemeinmediziner elf Euro zurück, aber 13 Euro, wenn es der Hausarzt ist. Beim Facharzt beträgt die Erstattung beim behandelnden Arzt 17,90 von 27 Euro, bei anderen Ärzten nur 14 von 32 Euro. Ähnlich abgestuft werden Behandlungskosten erstattet. Die Gebühr für einen Tag im Krankenhaus wurde seit 2003 von 10,67 auf 15 Euro angehoben und soll 2007 dann 16 Euro erreichen.

Ohne die Reform hätte die französische Krankenkasse 2004 rund 16 Milliarden Euro Verlust gemacht. Mit ihr wurden die Verluste auf 11,6 Milliarden begrenzt und 2005 auf acht Milliarden gedrückt. Für dieses Jahr wird ein Defizit von 6,1 Milliarden eingeplant. Danach soll das System im finanziellen Gleichgewicht sein.