Bilanz: Zu wenig Tempo für weniger Zucker Von Sascha Meyer, dpa

Müssen Joghurts und Limos stark gesüßt sein? Für eine gesündere
Ernährung sollen Zutaten verändert werden - so haben es Hersteller
der Politik zugesichert. Dazu gibt es eine neue Auswertung.

Berlin (dpa) - Quarkspeisen, Müslis, Limonaden: Bei vielen
Fertigprodukten aus dem Supermarkt kommt eine angestrebte
Verringerung von Zucker, Fett und Salz nach einer Auswertung für die
Bundesregierung zu wenig voran. Die Ergebnisse zeigten, dass
bisherige Änderungen der Rezepturen noch nicht ausreichten, um eine
ausgewogene Ernährung im erforderlichen Umfang zu unterstützen, heißt

es in einem am Donnerstag vorgelegten Bericht des bundeseigenen
Max-Rubner-Instituts. Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) machte
klar, dass die Hersteller nachlegen müssten. Verbraucherschützer
forderten deutlich weitergehende Maßnahmen.

Erneut amtlich überprüft wurden jetzt die Fortschritte einer
Strategie, die noch die Vorgängerregierung 2018 gestartet hatte.
Danach verpflichteten sich mehrere Branchen auf freiwilliger Basis zu
Reduktionszielen bei Zucker, Fett und Salz bis 2025. Um die Zusagen
zu Änderungen bei den Zutaten zu beobachten, macht das Institut ein
Monitoring und legte nach dem ersten Zwischenbericht 2020 nun einen
zweiten vor.

Bisherige Bemühungen reichen nicht aus

Zentrales Ergebnis: Zucker-, Fett- und Salzgehalte seien in einigen
Produktgruppen reduziert worden. Die Daten verdeutlichten aber auch,
dass Reduktionsbemühungen «in den letzten Jahren teilweise
nachgelassen haben oder zum Stillstand gekommen sind.» Bei einigen
Produkten gebe es sogar Erhöhungen beim Nährstoffgehalt. Bei
Produkten mit Kindermotiven auf der Packung hätten sich trotz teils
erfolgter Reduktion vielfach weiter hohe Zuckergehalte gezeigt - und
manchmal auch mehr Energie, Zucker und Fett als bei vergleichbaren
Produkten ohne Kinderoptik.

Özdemir sagte: «Eine gute und ausgewogene Ernährung wird schwierig,
wenn in verarbeiteten Lebensmitteln viel Zucker, Salz oder Fett
enthalten ist.» Der neue Zwischenbericht mache leider deutlich, dass
die bisherigen Reformulierungen nicht ausreichten. Daher sei das
Institut beauftragt worden, wissenschaftlich unterlegte
Reduktionsziele zu entwickeln. Auf dieser objektiven Grundlage werde
das Ministerium weitere Änderungen von Rezepturen bei der Wirtschaft
einfordern. 

Beispiel Milchprodukte: Bei Joghurtzubereitungen sei «eine
kontinuierliche Zuckerreduktion» sichtbar - im Vergleich zur ersten
Zwischenbilanz um sechs Prozent, heißt es im Bericht. «Bei gesüßten

Quarkzubereitungen fand hingegen seit 2019 keine statistisch
signifikante Veränderung statt.» Die Zuckergehalte in gesüßten
Milchprodukten mit Kinderoptik seien mit durchschnittlich 11,5 Gramm
pro 100 Gramm 2022 weiterhin hoch, das Reduktionstempo habe sich
verlangsamt.

Bei Getränken teils wieder höherer Zuckergehalt

Beispiel Getränke: Bei gesüßten Erfrischungsgetränken habe sich ein

zunächst deutlicher Rückgang der Zuckergehalte zuletzt nicht
fortgesetzt. Bei einigen Untergruppen wie Light-Limonaden und Wasser
mit Aromen seien teils Erhöhungen im durchschnittlichen Zuckergehalt
beobachtet worden. Bei gesüßten Getränken mit Kinderoptik habe es von

2018 bis 2022 keine signifikante Veränderung gegeben - die
Zuckergehalte lagen demnach auch über dem Niveau der
Gesamtstichprobe. 

Beispiel Müsli und Co.: Bei Frühstückscerealien seien die
Zuckergehalte gesunken - bis 2022 um 20 Prozent im Vergleich zu einer
ersten Ausgangserhebung. Beobachtet wurde allerdings gleichzeitig
eine Erhöhung des durchschnittlichen Fettgehaltes. Im Blick steht bei
anderen Produkten auch der Salzgehalt. Der ging etwa bei Nudelsoßen
von 2016 bis 2021 spürbar zurück - bei gefragten Bolognese-Soßen mit

Fleisch um 15 Prozent. Bei hellen Nudelsoßen mit Käse oder Sahne
seien aber trotz Reduzierungen weiter relativ hohe Energie- und
Fettgehalte aufgefallen.

Kritik von Verbraucherorganisation

Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisierte: «Die lächerlichen
Fortschritte bei der Reduktion von Zucker, Fett und Salz zeigen
wieder einmal: Mit freiwilligen Selbstverpflichtungen der
Lebensmittelindustrie allein kommen wir nicht weiter.» Die Regierung
müsse endlich wirksame Maßnahmen auf den Weg bringen, um Diabetes und
Adipositas in den Griff zu bekommen - etwa mit einer Limo-Steuer auf
gesüßte Getränke und einem überfälligen Schutz von Kindern vor
Junkfood-Werbung.

Die Zuckerwirtschaft erklärte, beim Kampf gegen Übergewicht müssten
die Kalorien in den Mittelpunkt gestellt werden - da zeige der neue
Bericht Lücken auf. Grünen-Expertin Renate Künast forderte: «Die
Lebensmittelindustrie muss endlich liefern und das Angebot bei
verarbeiteten Lebensmitteln - speziell auch für Kinder - verändern.»

Außerdem müsse das Gesetz, das Kinder und Jugendliche vor Werbung für

Zuckerbomben schütze, in die parlamentarische Beratung kommen. In der
Koalition werden Pläne für Werbeverbote, die Özdemir vor mehr als
einem Jahr vorlegte, von der FDP blockiert.