«Hätte die perfekte Familie zerstört» - Mutter gesteht Tötung von Baby Von Tom Sundermann, dpa

Eine junge Frau wird schwanger - doch das Kind will sie nicht
aufzuziehen. Bei der Geburt tötet sie das Baby. Wollte sie vor allem
ihre Karriere schützen oder fürchtete sie die Reaktion ihrer Familie?

München (dpa/lby) - Im Krankenhaus gab sie dem toten Baby noch einen
Namen. August sollte es heißen, nach seinem Großvater. Kurz zuvor
hatte die damals 19-Jährige aus Garching bei München den Säugling im

Haus ihrer Familie zur Welt gebracht, ganz allein, ohne dass ihre
Eltern davon wussten. Direkt im Anschluss ertränkte sie ihn kopfüber
in einer Toilettenschüssel - damit niemand von dem Kind erfährt. So
steht es in der Anklage gegen die heute 20-Jährige, so bestätigt sie
es in einer Erklärung vor dem Landgericht München I.

Dort muss sich die Frau ein knappes Jahr nach der Tat wegen Mordes
verantworten. Sie gesteht, das Baby im Mai 2023 geboren und
umgebracht zu haben; für die Tat übernehme sie «die volle
Verantwortung», lässt sie am Donnerstag ihre Anwältin mitteilen. Die

Tötung ist unstreitig - das Motiv nicht.

Zu der Schwangerschaft der Angeklagten aus Garching bei München kam
es demnach infolge einer Affäre mit einem Mann, der kurz darauf
wegzog. Der Partner habe sich eine feste Beziehung gewünscht, sie
nicht, teilte die Frau mit. Ungeschützten Geschlechtsverkehr hätten
sie dennoch praktiziert. Laut Staatsanwalt fürchtete die
Koch-Auszubildende in erster Linie Folgen für ihre Karriere in der
Gastronomie, die sie mit einem Leben als Mutter für unvereinbar
hielt.

Die 20-Jährige stellt in ihrer Aussage vor allem das Verhältnis zu
ihrer Familie heraus, die sehr vom christlichen Glauben geprägt sei.
Der Vater engagiere sich als Abtreibungsgegner. Ein nicht eheliches
Kind hätte demnach «den gewünschten Anschein der perfekten Familie
zerstört». Sie habe befürchtet, «verstoßen» zu werden und niema
nden
außer den Kindsvater in die Schwangerschaft eingeweiht.

Auch sie selbst habe sich bis wenige Monate vor der Geburt nicht
eingestehen wollen, dass sie ein Kind erwartet. Zu einem Arzt sei sie
nie gegangen. Die Geburt habe sie «völlig überfordert und hilflos»

gemacht, sie habe «unfassbare Angst» durchlitten. Das Kind habe sie
über der Toilette geboren und dann mehrmals die Spülung betätigt.

Nach der Geburt fand ihre Mutter sie in dem Raum und brachte sie ins
Klinikum Schwabing in München. Erst dort, teilt die Angeklagte mit,
sei ihr bewusst geworden, was sie getan habe. Eine Krankenschwester
sagte vor Gericht, dass die junge Mutter den toten Säugling liebevoll
in den Arm genommen und seine Schönheit bewundert habe.

Der Vater der Frau sagt vor Gericht aus, er habe von der
Schwangerschaft nichts mitbekommen. Seinen Kindern habe er
klargemacht, dass er Abtreibungen für falsch halte - eine solche
«Tötung» wäre «auf keinen Fall infrage gekommen». Auch nicht eh
elich
geborene Kinder finde er seines Glaubens wegen «nicht ideal». Seine
Tochter hätte er nach seiner Aussage jedoch unabhängig von ihrer
Entscheidung nicht fallen gelassen. Für das Verfahren sind acht
Verhandlungstage bis Mitte Mai angesetzt.