Staatsanwalt fordert lebenslange Haft im Prozess gegen Herzmediziner

Ein Facharzt der berühmten Charité in Berlin steht nach dem Tod von
zwei schwerstkranken Patienten vor Gericht. Er steht im Verdacht, sie
getötet zu haben. Nun steht der Prozess vor dem Ende.

Berlin (dpa/bb) - Im Prozess zum Tod zweier schwerstkranker Patienten
hat die Berliner Staatsanwaltschaft für den behandelnden Oberarzt der
Berliner Charité eine lebenslange Freiheitsstrafe beantragt.
Staatsanwalt Martin Knispel ging in seinem Plädoyer von Mord in zwei
Fällen aus. Der Angeklagte habe «zur Durchsetzung seiner Vorstellung
vom richtigen Zeitpunkt der Beendigung des Lebens» gehandelt, sagte
Knispel am Donnerstag vor dem Berliner Landgericht. Aus
eigensüchtigen Motiven habe der 56-Jährige seine Stellung als Arzt
missbraucht. Knispel forderte auch, ein lebenslanges Berufsverbot
gegen den Mediziner auszusprechen.  

Staatsanwalt: Patienten mit überdosierten Narkosemittel getötet

Nach Überzeugung des Staatsanwalts hat der Facharzt für Innere
Medizin in den Jahren 2021 und 2022 auf einer kardiologischen
Intensivstation einen Patienten und eine Patientin (beide 73) jeweils
mit einem überdosierten Narkosemittel getötet. 

Die Staatsanwaltschaft war auch in ihrer Anklage von Mord
ausgegangen. Das Landgericht bewertete den Fall jedoch bei der
Eröffnung des Verfahrens anders und wies darauf hin, dass jeweils
lediglich ein hinreichender Tatverdacht wegen Totschlags bestehe.
Nicht auszuschließen sei, dass der Arzt aus Mitleid gehandelt habe.

Ein Urteil könnte an diesem Freitag (26. April) verkündet werden.
Allerdings wird der Prozess zunächst mit den Plädoyers der
Verteidiger fortgesetzt. Der Oberarzt befindet sich seit Mai 2023 in
Untersuchungshaft. Von der Charité war er bereits im August 2022
freigestellt worden. 

Mediziner weist Vorwürfe zurück 

Der Mediziner hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Beide Patienten hätten

sich in einem akuten Sterbeprozess befunden, erklärte er im Prozess.
Zur Leidensminderung habe er ein Sedierungsmittel verabreicht. Das
sei nicht in den Mengen erfolgt, wie sie in der Anklage genannt
werden. Er sei sich sicher, «das Leben der Patienten nicht verkürzt
zu haben». Vorzuwerfen habe er sich nur, in den angeklagten Fällen
die Gabe von Propofol nicht dokumentiert zu haben. 

Staatsanwalt Knispel sagte jedoch in seinem Plädoyer, die Gabe von
Propofol sei in beiden Fällen medizinisch nicht indiziert gewesen.
Beide Patienten seien tief bewusstlos gewesen. Der Angeklagte habe
das Mittel ohne Rücksprache mit Kollegen und ohne Dokumentation
verabreicht. «Dabei hat er eine geradezu überrumpelnde Eile an den
Tag gelegt.» Anwesendes medizinisches Personal habe dem erfahrenen
und geschätzten Mediziner vertraut. Die Dosen seien jedoch «völlig
überhöht» gewesen. In beiden Fällen seien die Patienten «an den
deutlich überhöhten Propofol-Gaben und nicht an ihren schweren
Grunderkrankungen gestorben». 

Mitangeklagt in dem Fall war eine Krankenschwester wegen Beihilfe zum
Totschlag in einem Fall. Gegen die 39-Jährige hatte das Gericht das
Verfahren nach viermonatigem Prozess gegen eine Geldauflage von 1500
Euro eingestellt. In ihrem Fall käme kein vorsätzliches Handeln in
Betracht, begründete das Gericht, damals.