AfD: Wir können Corona-U-Ausschuss durchsetzen

Die größte Oppositionsfraktion im Landtag will das staatliche Handeln
während der Pandemie unter die Lupe nehmen - jahrelang. Sie verneint
eine Schlammschlacht. Die anderen Fraktionen haben Bedenken.

Wiesbaden (dpa/lhe) - Die AfD-Opposition im hessischen Landtag kann
nach eigenen Angaben einen Corona-Untersuchungsausschuss durchsetzen.
«Die dafür notwendigen 20 Prozent der Stimmen des Parlaments liegen
vor», sagte Fraktionschef Robert Lambrou am Mittwoch in Wiesbaden.
Die größte Oppositionsfraktion werde die Einsetzung des Ausschusses
in der nächsten Plenarsitzung am 14. Mai beantragen. 

Kein Abgeordneter der anderen Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP
hat Zustimmung signalisiert. Für den Corona-Ausschuss sind mindestens
27 Stimmen nötig. Die AfD-Fraktion hat entsprechend ihrer
Mitgliederzahl 26. Die 27. Stimme liefert nach ihren Angaben der
fraktionslose Abgeordnete Sascha Herr. Die AfD-Parlamentarier haben
ihn einst nicht in ihren Reihen aufgenommen unter Verweis auf
Kontakte zu Neonazis, die er selbst bestreitet.

Lambrou versicherte, es gebe weiter keine Zusammenarbeit mit Herr.
Dieser habe lediglich als einziger außerhalb der AfD-Fraktion positiv
auf eine Mailanfrage an alle 133 Abgeordnete geantwortet, einem
Antrag auf den ersten Untersuchungsausschuss in der neuen Wahlperiode
zuzustimmen. Herr war vorerst nicht für eine Stellungnahme zu
erreichen. 

Mehrere Jahre Dauer?

Die AfD-Fraktion erwartet den Start des 15-köpfigen Gremiums in der
zweiten Hälfte dieses Jahres. Ihr gesundheitspolitischer Sprecher
Volker Richter sagte: «Dafür werden wir mehrere Jahre brauchen.»
Neben Sachverständigen sollten etwa der frühere Ministerpräsident
Volker Bouffier (CDU) und der einstige Sozialminister Kai Klose
(Grüne) als Zeugen geladen werden. Der bildungspolitische Sprecher
der AfD-Fraktion, Heiko Scholz, versicherte: «Wir werden garantiert
keine Schlammschlacht entfachen, wenn das die anderen auch nicht
tun.» Es gehe um sachliche Aufklärung.

AfD-Fraktionschef Lambrou begründete den Antrag auf einen
Untersuchungsausschuss mit beispiellosen «Grundrechtseinschränkungen»

in Corona-Zeiten: «Das hat eine tiefe gesellschaftliche Spaltung
hinterlassen.» Wer diese ein Stück weit heilen wolle, müsse dem
Aufklärungsgremium zustimmen. Dessen Einsetzung sei «auch ein Dienst
an der Demokratie und kann dazu beitragen, verlorenes Vertrauen in
die Politik wiederherzustellen».

Aufklärung oder Show?

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Kathrin
Anders, betonte: «Einen Untersuchungsausschuss als Show-Veranstaltung
der AfD und von Gnaden eines Abgeordneten mit Kontakten zur
Neonazi-Szene braucht es in Hessen ganz sicher nicht.» Das Gremium
drohe «ein Forum für rechtspopulistisches oder rechtsextremes
Gedankengut mit den damit verbundenen Verschwörungsmythen zu werden».
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Daniela
Sommer, erklärte, für die Analyse des staatlichen Handelns während
der Pandemie gebe es geeignetere parlamentarische Verfahren. Auch
habe die neue schwarz-rote Landesregierung als Konsequenz ein
eigenständiges Gesundheitsministerium eingerichtet. Laut Oliver
Stirböck, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, wäre eine
Enquete-Kommission auf Bundesebene sinnvoller.

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kann zum Beispiel Zeugen
auch unter Eid aussagen lassen. Er gilt als das «schärfste Schwert
der Opposition», schon weil ihn eine parlamentarische Minderheit
durchsetzen kann. 

Zum Spionageverdacht gegen einen inzwischen verhafteten Mitarbeiter
des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah, Spitzenkandidat bei der
Europawahl im Juni, äußerte sich die AfD-Fraktion im Wiesbadener
Landtag am Mittwoch auf Anfrage nicht: Dies sei keine Angelegenheit
der hessischen Landespolitik.