Untersuchung belastet früheren Leiter kirchlicher Beratungsstellen

Erneut weist eine Untersuchung in der katholischen Kirche Fälle von
Gewaltmissbrauch nach. Im Mittelpunkt steht ein früherer Leiter der
psychologischen Beratungsstellen im Bistum Osnabrück.

Osnabrück (dpa/lni) - Eine interne Untersuchung im katholischen
Bistum Osnabrück hat schwere Vergehen eines früheren Leiters der Ehe-
und Familienberatungsstellen in der Diözese offengelegt. Der 2004
gestorbene Mann, der zwischen 1969 und 1996 Referatsleiter in der
Kirchenleitung war, habe sich schweren Machtmissbrauchs und
vielfältiger Gewaltanwendung gegen ehemalige Mitarbeiter und Klienten
schuldig gemacht, teilte das Bistum am Mittwoch mit. Mitarbeitende
hätten vor ihm Angst gehabt. In mehreren Fällen sei es zu sexuellem
Missbrauch gekommen. Die Untersuchung wurde auf den Weg gebracht,
nachdem mehrere ehemalige Mitarbeiter und Klienten Mitte 2021
Vorwürfe gegen den Mann erhoben hatten. 

Die von einer Juristin und einem Kirchenrechtler vorgenommene
Untersuchung habe ergeben, dass der frühere Referatsleiter seine
Macht auf vielfältige Weise missbraucht und gegen Mitarbeitende und
Klienten verschiedene Formen von Gewalt ausgeübt habe, hieß es.
Betroffene berichteten demzufolge nicht nur von psychischer und
sexualisierter, sondern auch von körperlicher Gewalt. Er habe immer
wieder seine Rollen als Vorgesetzter, Therapeut und Ausbildungsleiter
vermischt und Vertrauensverhältnisse ausgenutzt und missbraucht. 

Sein in Gesprächen erworbenes Wissen habe die damalige Führungskraft
genutzt, um sich ein Netz von Abhängigkeiten zu schaffen und Macht
über Betroffene auszuüben. Er habe ein «familienähnliches
geschlossenes System» geschaffen, zu dem nur Zugang hatte, wer seinen
Vorstellungen entsprach. Er soll auch Klienten und
Schulungsteilnehmer in Gruppensituationen gedemütigt und zu
Handlungen gezwungen haben, die diese nicht wollten. Dabei sei es
auch zu körperlicher Gewalt gekommen. 

Mehrere Betroffene hätten berichtet, von dem Mann sexuell missbraucht
worden zu sein; auch ein möglicher geistlicher Missbrauch stehe im
Raum. Unter den Betroffenen befinden sich Frauen und Männer, darunter
seien auch Geistliche und Priesteramtskandidaten. Möglicherweise habe
der frühere Referatsleiter auch seinen Doktortitel missbräuchlich
geführt: Seine angeblich an der Universität Mannheim abgelegte
Dissertation habe nicht verifiziert werden können, hieß es in dem
Bericht. Ein Vorwurf auf Veruntreuung von Geldern habe nicht
eindeutig geklärt werden können.

Der Referatsleiter ging kurz nach dem Amtsantritt des im vergangenen
Jahr in den Ruhestand verabschiedeten Bischofs Franz-Josef Bode in
Rente. Bode sei erstmals Ende der 1990er-Jahre von einem Zeugen auf
den Machtmissbrauch und das Abhängigkeitssystem aufmerksam gemacht
worden. Ein weiterer Betroffener habe sich 2013 mit einem
ausführlichen Brief bei Bode gemeldet, hieß es. Darin sei sexueller
Missbrauch bis zur Vergewaltigung geschildert worden. 

Über beide Fälle habe der damalige Bischof mit dem damaligen
Generalvikar Theo Paul gesprochen. Eine konsequente Aufarbeitung sei
allerdings unterblieben. Bode habe in der Untersuchung eigene
Versäumnisse eingeräumt. Paul habe nach eigenen Angaben aus den
Gesprächen mit Bode keinen Arbeitsauftrag für sich abgeleitet. Das
sei angesichts seiner Stellung und Verantwortung im Bistum nicht
überzeugend, kritisierte die Untersuchungskommission. Beide Kleriker
hätten allerdings jeweils starkes Bedauern über ihre Fehler geäußer
t.
  

«Es ist erschreckend, dass solche Formen von Machtmissbrauch und
Gewalt in der Vergangenheit auch im besonders sensiblen Feld von
psychologischer Beratung gedeihen konnten», sagte der Osnabrücker
Domkapitular Ulrich Beckwermert als Vertreter der Bistumsleitung. Der
Fall zeige, wie wichtig Präventionsarbeit und entsprechende
Schutzkonzepte seien, die in den vergangenen Jahren auch in den Ehe-
und Familienberatungsstellen des Bistums eingerichtet worden seien.
Es solle geprüft werden, ob noch weitere Schutzmaßnahmen notwendig
seien. 

Die Untersuchung wurde von einer Monitoring-Gruppe vorgenommen, die
für die Steuerung und Kontrolle des diözesanen Schutzprozesses gegen
sexualisierte Gewalt und geistlichen Missbrauch zuständig ist. Sie
ist mehrheitlich mit bistumsunabhängigen Personen besetzt.

Wie in anderen katholische Bistümer sind auch im Bistum Osnabrück in
den vergangenen Jahren viele Fälle sexualisierter Gewalt bekannt
geworden. Dazu war eine wissenschaftliche Studie der Universität
Osnabrück veröffentlicht worden, die auch persönliche Fehler von
Bischof Bode festgestellt hatte. Bode war im vergangenen Jahr
aufgrund dieser Fehler vom Vatikan auf eigenen Wunsch in den
Ruhestand versetzt worden. Die nun veröffentlichte Untersuchung ist
nicht Teil der Aufarbeitungsstudie der Universität Osnabrück.