Suchtbericht: Problematischer Cannabis-Konsum hat zugenommen

Immer mehr Deutsche kiffen. Mit dem Konsum ist auch die Zahl derer
gestiegen, die sich an die Suchthilfe wenden. Angesichts der
Liberalisierung müssen solche Angebote gestärkt werden, sagen
Experten.

Hamm/Berlin (dpa) - Experten der Suchthilfe beobachten eine Zunahme
des problematischen Cannabiskonsums in den vergangenen Jahrzehnten
und fordern angesichts der teilweisen Legalisierung des Kiffens eine
Stärkung der Prävention. Wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten
«Jahrbuch Sucht» der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in
Hamm hervorgeht, zeigt sich in den vergangenen drei Jahrzehnten
insgesamt ein steigender Trend im Konsum der Droge. Auch habe sich
der Anteil der Menschen, die sich aufgrund von Problemen mit
Cannabisgebrauch an die ambulante Suchthilfe gewandt haben, seit der
Jahrtausendwende fast verdreifacht. Im stationären Bereich
registrierten die Experten eine Verzehnfachung.

Damit seien Störungen nach Cannabiskonsum der zweithäufigste Anlass,
ein Suchthilfeangebot aufzusuchen - nach Alkoholproblemen. Seit 2013
registrierten die ambulanten Suchthilfestellen in Deutschland
jährlich mehr als 25 000 solcher Fälle bei Cannabis. 2001 hatte die
Gesamtzahl noch bei 3700 gelegen.

Insgesamt hat die Zahl der Kiffer in den vergangenen Jahrzehnten
deutlich zugenommen: Laut dem Bericht gab 2021 jeder Zehnte der 18-
bis 59-Jährigen an, in den vergangenen 12 Monaten Cannabis konsumiert
zu haben - 2012 waren es noch 5 Prozent. Männer konsumierten dabei
etwas häufiger als Frauen und stuften ihren Konsum häufiger als
problematisch ein. Das bedeutet den Experten zufolge, dass sie
Schwierigkeiten haben, den Konsum zu kontrollieren oder bereits
psychosoziale Folgen bemerken.

Seit dem 1. April ist in Deutschland der Besitz, private Anbau und
Konsum bestimmter Mengen Cannabis für Erwachsene erlaubt. Ab Juni
sollen sogenannte Anbauvereine staatlich kontrolliert unter strengen
Auflagen Cannabis anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Vor
dem Hintergrund der Gesetzesänderung fordert die DHS eine
auskömmliche Finanzierung von Beratungs- und Schutzmaßnahmen.

Durch die neue Gesetzgebung stehe für die Konsumenten nun «ein
besseres, weniger gesundheitsgefährdendes Produkt» zur Verfügung,
sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Mittwoch im
Plenum des Bundestages während einer Regierungsbefragung.
Gleichzeitig räumte er ein, in der Übergangsphase könne es
möglicherweise Umsetzungsschwierigkeiten geben. Gesundheitsminister
Karl Lauterbach (SPD) sagte, seiner Auffassung nach sei die Ernte
auch dann legal, wenn jemand seine Cannabis-Pflanze schon vor der
Gesetzesänderung besessen habe. «Wenn ich jetzt ernte, dann ist es ja
jetzt legal», erklärte Lauterbach.

Es gebe zwar bereits «gute Angebote zur Prävention des
problematischen Cannabiskonsums», sagte Peter Raiser, Geschäftsführer

der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Es sei jedoch dringend
erforderlich, diese «deutlich auszubauen und weiterzuentwickeln».
Aktuell beobachte man stattdessen vielerorts sogar Kürzungen.
«Insbesondere vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung darf bei der
Finanzierung der Suchtberatung nicht gespart werden», betonte er.

Die DHS ist die Dachorganisation der deutschen Suchthilfe und
Sucht-Selbsthilfe. Im jährlich erscheinenden Jahrbuch bündeln
Experten Zahlen und aktuelle Studien zu sucht- und drogenbezogenen
Themen.

Auch auf die weitverbreiteten Suchtmittel Tabak und Alkohol geht der
Bericht ein: Den Experten zufolge raucht etwa ein Drittel der
Erwachsenen in Deutschland - Tendenz fallend. So erreichte 2023 der
durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch an Zigaretten mit 764 Stück den
niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung. Immer weniger
Jugendliche greifen demnach zur Zigarette. Allerdings weisen Studien
auf einen Anstieg bei der Nutzung von E-Zigaretten hin.

Außerdem bleibe Deutschland ein Alkohol-Hochkonsumland, schreiben die
Experten. Zwar waren der Bier-, Schaumwein- und Schnapskonsum in den
vergangenen zwei Jahrzehnten leicht rückläufig. Deutschland liege mit
einem Verbrauch von mehr als 10 Litern Reinalkohol bei Menschen älter
als 15 aber weiter zwei Liter über dem durchschnittlichen Konsum der
Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD).