Studie: Stimmungstief und Rechtsruck bei junger Generation Von Jörg Ratzsch, dpa

Nach Corona trüben nun andere Krisen die Stimmung bei Jugendlichen
und jungen Erwachsenen ein. Eine Umfrage zeigt zudem: Sie wenden sich
verstärkt der AfD zu.

Berlin (dpa) - Jugendliche und junge Erwachsene sind einer Studie
zufolge immer unzufriedener und wenden sich stärker der AfD zu. 22
Prozent der 14- bis 29-Jährigen, die überhaupt eine Parteipräferenz
haben und die wählen gehen wollen, würden für die AfD votieren, wenn

jetzt Bundestagswahl wäre. Das sind mehr als doppelt so viele wie
noch vor zwei Jahren, wie aus einer am Dienstag vorgelegten
repräsentativen Befragung für die Studie «Jugend in Deutschland 2024
»
hervorgeht. 2022 hatten sich noch 9 Prozent für die AfD
ausgesprochen, im vergangenen Jahr waren es 12 Prozent. Berechnet auf
alle für die Studie Befragten würden somit rund 14 Prozent der 14-
bis 29-Jährigen die AfD wählen. 

Junge Generation wird immer unzufriedener

Für die Studie der Jugendforscher Simon Schnetzer, Klaus Hurrelmann
sowie des Politikwissenschaftlers Kilian Hampel wurden im Januar und
Februar gut 2000 junge Leute von 14 bis 29 Jahren repräsentativ
befragt: nach ihrer Parteipräferenz, ihren größten Sorgen, der
Zufriedenheit mit ihrer persönlichen Lage (Finanzen, Gesundheit,
berufliche Chancen) und der gesellschaftlichen Lage (Wirtschaft,
Zusammenhalt, politische Verhältnisse, Lebensqualität in
Deutschland). Das Ergebnis: Die junge Generation wird im Vergleich zu
den Befragungen der Vorjahre immer unzufriedener, besonders mit der
gesellschaftlich-wirtschaftlichen Lage.

Nach den Auswirkungen der Corona-Zeit stünden nun wirtschaftliche und
politische Sorgen um die Zukunft im Vordergrund, etwa wegen der
Inflation, hoher Mieten, der Kriege in der Ukraine und in Nahost oder
wegen einer Spaltung der Gesellschaft, schreiben die Autoren. «Es
wirkt so, als hätte die Corona-Pandemie eine Irritation im Vertrauen
auf die Zukunftsbewältigung hinterlassen, die sich in einer anhaltend
tiefen Verunsicherung niederschlägt.»

Die Zufriedenheit mit der eigenen finanziellen Lage, den beruflichen
Chancen, der Gesundheit und der sozialen Anerkennung liegt zwar
insgesamt auf einer Skala von «sehr zufrieden» bis «sehr unzufrieden
»
weiterhin leicht im positiven Bereich, aber überall sind Rückgänge zu

sehen. Eher unzufrieden mit der wirtschaftlichen Entwicklung, dem
gesellschaftlichen Zusammenhalt und den politischen Verhältnissen war
die junge Generation auch schon 2022 und 2023. 

Besonders die Zufriedenheit mit den politischen Verhältnissen ist
dieses Jahr aber noch einmal deutlich gesunken. Die Sorgen mit Blick
auf den Klimawandel gehen zurück und wachsen dafür bei Themen wie
Inflation, Wirtschaft oder Altersarmut.

Deutlicher Rechtsruck in der jungen Bevölkerung

«Wir können von einem deutlichen Rechtsruck in der jungen Bevölkerung

sprechen», sagte Hurrelmann. «Während die Parteien der
Ampel-Regierung in der Gunst immer weiter absinken, hat die AfD
besonders großen Zulauf.»

18 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die schon eine
Parteipräferenz haben, würden demnach die Grünen wählen, 2022 waren

es noch 27 Prozent gewesen. Die FDP sackte in der Umfrage ab von 19
auf 8, die SPD verlor von 14 auf 12 Prozent. Die Union verbesserte
sich der Umfrage zufolge bei jungen Menschen von 16 auf 20 Prozent,
das neue Bündnis Sahra Wagenknecht kommt auf 5 Prozent. Die Zahl
derjenigen, die auf die Frage, wen sie wählen würden, mit «Ich weiß

es nicht» antworteten, stieg deutlich von 19 Prozent vor zwei Jahren
auf heute 25 Prozent. Zudem gaben 10 Prozent an, nicht wählen zu
wollen. 

Auffällig ist, dass trotz gestiegener Zustimmungswerte für die AfD,
die meisten jungen Menschen in einer ganz zentralen Frage eine andere
Meinung haben als die rechtspopulistische Partei. Der Aussage
«Deutschland wäre ohne die EU besser dran», stimmten nur 13 Prozent
zu, 56 Prozent nicht. Hier blieb das Meinungsbild relativ stabil. 

Sehr stark gesunken ist den Autoren zufolge aber im Vergleich zur
Shell-Jugendstudie von 2019 die Zustimmung zur Aufnahme vieler
Flüchtlinge. 57 Prozent waren damals dafür, in der vorliegenden
Studie sind es nur noch 26 Prozent. «Hier hat offensichtlich ein
heftiger Meinungsumschwung in der jungen Generation stattgefunden»,
schreiben die Autoren. 

Aus der Erhebung ergebe sich für die Regierungsparteien «das
eindeutige Signal, dass sie auch im Blick auf die junge Generation
eine Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik betreiben müssen, die das
positive Potenzial von Migration für die Zukunft in Deutschland
fördert und lösungsorientiert mit den damit verbundenen Ängsten
umgeht», heißt es. «Hier gibt es offensichtlich ein erhebliches
Kommunikationsdefizit.»

AfD punktet bei Tiktok - Regierung zieht spät nach

Apropos Kommunikation: Wer nicht auf relevanten Social-Media-Kanälen
und Plattformen aktiv ist, wird der Studie zufolge von jungen
Menschen schlichtweg nicht zur Kenntnis genommen. Die AfD ist auf der
Videoplattform Tiktok schon lange aktiv und hat dort viele Follower.
Die Partei erreiche die junge Generation in einem großen Ausmaß. «Den

anderen Parteien ist dringend anzuraten, hier nachzuziehen.» 

Die Befragung zeigt, dass sich die Mehrheit (57 Prozent) der
Jugendlichen und jungen Erwachsenen über Nachrichten und Politik auf
Social-Media-Kanälen informiert. 92 Prozent nutzen regelmäßig
WhatsApp, dahinter kommen Instagram (80 Prozent) und Youtube (77
Prozent). Tiktok nimmt an Bedeutung zu: Inzwischen nutzen mit 51
Prozent mehr als die Hälfte aller 14- bis 29-Jährigen die App
regelmäßig, vor einem Jahr waren es noch 44 Prozent.

So langsam reagiert auch die Bundesregierung: Gesundheitsminister
Karl Lauterbach (SPD) hat vor Kurzem einen Tiktok-Kanal gestartet,
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ebenfalls. Und es gibt neuerdings
auch einen WhatsApp-Kanal der Regierung, der über Entscheidungen und
Vorhaben der Ampel informiert.