Kritik an geplanter Reform der Ethikkommissionen
Bevor Mediziner mit Forschung an Menschen oder mit Bioproben beginnen
können, muss mindestens eine Ethikkommission zustimmen. Hier werden
Änderungen geprüft. Die Ideen kommen nicht überall gut an.
Stuttgart/Freiburg (dpa/lsw) - Die Ethikkommissionen in
Baden-Württemberg sehen Vorschläge zu einem solchen medizinischen
Gremium mit landesweiter Zuständigkeit skeptisch. Sie rechnen eher
mit bürokratischen Hürden, mehr Aufwand und längeren Prüfvorgänge
n,
wie mehrere von ihnen der Deutschen Presse-Agentur mitteilten.
Derzeit gibt es im Südwesten je eine Ethikkommission an den
Uniklinik-Standorten in Ulm, Freiburg, Heidelberg, Mannheim und
Tübingen sowie eine bei der Landesärztekammer. Sie prüfen unter
anderem, ob Forschungsvorhaben mit Menschen oder menschlichem
Biomaterial wie Gewebe aus rechtlicher und ethischer Sicht gemacht
werden dürfen.
Kritik von Medizinern sowie etwa auch aus der Wirtschaft gibt es
unter anderem daran, dass bei Studien, die an mehreren Orten
ausgeführt werden sollen, unterschiedliche Kommissionen schon mal zu
verschiedenen Ergebnissen kommen. Ein Gremium zahlreicher Fachleute,
das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg, hatte daher
vorgeschlagen, eine Ethikkommission mit übergreifender landesweiter
Zuständigkeit einzurichten. Das wird nach Angaben des
Wissenschaftsministeriums ergebnisoffen geprüft.
Kommissionen verteidigen ihre Arbeit
Erst infolge der Anfrage der dpa hätten die Kommissionen davon
gehört, teilte der Vorsitzende in Freiburg, Prof. Rudolf
Korinthenberg, mit. Die Pläne erschienen ihm kontraproduktiv und als
Gefahr für den Bestand gerade der universitären Kommissionen, «deren
ungehinderte Arbeit für die Industrie-unabhängigen Forschungsprojekte
an den Hochschulen lebenswichtig ist». Zudem seien sich alle
Kommissionen in Baden-Württemberg darin einig, «dass es nicht ihre
Aufgabe ist, Forschung zu erschweren, sondern diese zu ermöglichen
und zu verbessern».
Aus der Tübinger Ethikkommission hieß es, eine übergreifend
zuständige Ethikkommission könnte allenfalls bei Studien, die der
Beratung nach der Berufsordnung der Ärztekammer unterliegen und
ausschließlich in Baden-Württemberg gemacht werden, von Vorteil sein.
«Dies würde durch eine Zunahme des bürokratischen Aufwands erkauft,
zumal eine deutliche Beschleunigung des Verfahrens zu bezweifeln ist,
da die Ethikkommissionen in Baden-Württemberg bereits jetzt eng
miteinander kooperieren.»
Auch das Heidelberger Gremium hält eine Landes-Ethikkommission weder
für erforderlich noch für zielführend. Die Kolleginnen und Kollegen
aus Ulm sehen darin gar «eine erhebliche Schwächung der
institutionellen Unabhängigkeit der Ethikkommission und Gefährdung
des Patientenschutzes», wie es in einer Rückmeldung hieß.
Die Ethikkommission der Landesärztekammer gab zu bedenken, «dass die
bislang zielgerichtete, zügige sowie ungehinderte Arbeit für die
Ärzteschaft und die Forschungslandschaft in Baden-Württemberg mit
einer landesweit übergreifenden Ethikkommission infrage gestellt
wäre». Indirekt könnte mittel- bis langfristig auch die Behandlung
von Erkrankten betroffen sein, etwa im Rahmen von
Arzneimittelstudien.
Nicht nur Thema im Land
Weiter verwies sie darauf, dass ab 2025 nach Plänen von
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine zentrale
Bundesethikkommission für bestimmte Typen klinischer Studien
zuständig sein soll. Der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen
in Deutschland stehe den Regierungsplänen sehr kritisch gegenüber und
habe vor zusätzlicher Bürokratie und einer Gefährdung der
Unabhängigkeit der Ethikkommissionen gewarnt.
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