Übeltäter Sonne: Heller Hautkrebs soll Berufskrankheit werden Von Ulrike von Leszczynski, dpa

Wer viel draußen arbeitet, hat durch die UV-Strahlung ein höheres
Hautkrebs-Risiko. Deshalb soll eine Art des hellen Hautkrebs im
Januar auf die Liste der Berufskrankheiten kommen - mit
weitreichenden Folgen.

Berlin (dpa) - Braungescheckte Flecken im Gesicht, Hautpartien mit
rauen Stellen oder kleine Knötchen sind verräterisch. Dahinter kann
sich heller Hautkrebs verbergen, ausgelöst durch zu viel Sonnenlicht
mit seiner starken UV-Strahlung. Doch nicht nur sonnenhungrige
Urlauber, die Schutzcremes und Hütchen verschmähen, haben ein Risiko,
später die Quittung für den schicken braunen Teint zu erhalten.
Ungewollt sind es oft auch Menschen, die viel im Freien arbeiten: Vom
Bauarbeiter, Dachdecker und Landwirt bis hin zum Briefträger,
Bademeister oder Skilehrer. Ab Januar ändert sich für sie viel. Eine
Art des hellen Hautkrebs soll in Deutschland als Berufskrankheit
anerkannt werden, samt Renten- und Entschädigungsansprüchen.

Swen Malte John sieht die verräterischen Flecken immer wieder. Er ist
Hautarzt und Professor an der Universität Osnabrück, unter anderem
für das Fachgebiet Umweltmedizin. Er behandelt auch Menschen, denen
heller Hautkrebs das Gesicht weggefressen hat oder Patienten, die
durch die Narben vieler Operationen entstellt sind. «Menschen, die
draußen arbeiten, haben ein doppelt so hohes Hautkrebs-Risiko», sagt
John. Mit der Anerkennung als Berufskrankheit sieht er sich seinem
Ziel ein Stück näher: mehr Fokus auf die Gefahren - und mehr
Vorbeugung.

«Vor dem Gesetz sind alle gleich, aber nicht vor der Sonne», sagt
John gern. Oft wüssten Bauarbeiter, die bei 30 Grad ohne Kopfschutz
und Hemd arbeiteten, gar nicht, welches Risiko sie eingingen. Lässig
und cool zu sein, ist wichtig auf dem Bau. Wer sich immer wieder mit
Sonnenöl eincremt, kann da schnell als Weichei gelten. Dabei müsste
es umgekehrt sein: Helme mit Nackenschutz, Sonnencreme, atmungsaktive
und UV-dichte Kleidung sowie Pausen in der strahlungsintensiven
Mittagszeit zwischen 11.00 und 13.00 Uhr würden Outdoor-Arbeitern
später wahrscheinlich manches Leid ersparen. Vorgeschrieben ist das
alles nicht - und daran wird sich auch erst einmal nichts ändern.
«Wir brauchen aber neue Gewohnheiten», sagt John.

Ein Wandel aus Überzeugung ist nicht leicht. Selbst die Deutsche
Gesetzliche Unfallversicherung hat bisher noch keine bundesweite,
große Studie zur UV-Belastung bei Berufen im Freien. Die Forschung
mit Dosimetern, kleinen Geräten, die UV-Strahlung messen, hat erst
begonnen. Mit Ergebnissen, die überraschen: Als Straßenbauarbeiter in
Bayern in diesem Sommer Messgeräte trugen, ergab sich pro Tag eine
UV-Strahlung, die um das Achtfache über der Dosis für einen
Sonnenbrand lag. Pro Woche lagen die Werte um das 33-fache darüber.

Stefan Boltz, Sprecher der Unfallversicherung, sieht die Baubranche
durchaus sensibilisiert. «Nach mehreren heißen Sommern interessiert
das Thema», sagt er. Nicht nur wegen der UV-Strahlung - auch wegen
der Hitze. Mit Überzeugungsarbeit für mehr Sonnenschutz und Pausen in
der Mittagshitze sei aber mehr gewonnen als mit neuen Vorschriften
und Kontrollen, meint er.

«Wir haben hier heute UV-Werte wie früher auf Sizilien», sagt Experte

John. Hauptursache sei die großflächige Zerstörung der schützenden

Ozonschicht. Auch wenn sie sich langsam erhole, seien die Folgen noch
rund 30 Jahre lang zu spüren. Wer blonde oder rötliche Haare habe,
reagiere als heller Hauttyp auf die stärkere UV-Strahlung besonders
empfindlich. Aber nicht immer sofort. Mehr als 20 Jahre kann es
dauern, bis die Haut die Rechnung für fehlenden Sonnenschutz
präsentiert.

Wird heller Hautkrebs in Vorstufen erkannt, ist er heilbar. Falls
nicht, kann er chronisch werden und Hautpartien entstellen. Bei
Berufen im Freien sind das vor allem Kopfhaut, Gesicht und
Handrücken. Bisher war es schwer, das bei der Unfallversicherung als
Folge des Berufs geltend zu machen. Denn dafür muss nachgewiesen
sein, dass es im Job Belastungen gibt, denen eine Berufsgruppe
erheblich mehr ausgesetzt ist als die übrige Bevölkerung. Beim
Stachelzell-Krebs, bei dem die oberste belebte Hautschicht geschädigt
wird, ist dieser Zusammenhang nun wissenschaftlich belegt.
UV-Belastung gilt als Hauptursache dafür.

Andere Hautkrebsformen wie das Basaliom oder das maligne Melanom
bleiben bei Berufskrankheiten dagegen auch weiterhin außen vor.
Nachbarn wie Österreich und die Schweiz haben Hautkrebs schon länger
als Berufskrankheit anerkannt - auch in der DDR war das so. Doch in
der Bundesrepublik gingen einer Anerkennung bisher manchmal lange
Prozesse voraus. Oder es geschah etwas, das John «Gnadenakt» nennt.
So bekam ein Elektriker mit Hautkrebs, der 20 Jahre im Auftrag einer
deutschen Firma auf Ölplattformen in den Tropen gearbeitet hatte,
2006 rund 100 000 Euro Verletztenrente zugesprochen. Da war er 70.

Bereits seit längerem war es grundsätzlich möglich, hellen Hautkrebs

«wie eine Berufskrankheit» einzustufen, das passierte aber nur in
wenigen Ausnahmefällen. Ab Januar soll er nun explizit in die
amtliche Liste der Berufskrankheiten aufgenommen werden. Die noch
nötige Zustimmung des Bundeskabinetts in dem langen Verfahren gilt
als sehr sicher. Die Ansprüche würden dann auch für Rentner gelten.
Das kann teuer werden.

John geht davon aus, dass fünf bis zehn Prozent der 30 000
Stachelzell-Karzinome, die pro Jahr in Deutschland diagnostiziert
werden, beruflich bedingt sind. Die Unfallversicherung kalkuliert bis
2020 bereits rund 20,5 Millionen Euro mehr Leistungen für Hautkrebs -
pro Jahr. Dermatologe John hofft, dass trotz noch fehlender
spezifischer Arbeitsschutzverordnungen ein Umdenken in den Branchen
einsetzt. Sein Traum wäre ein regelmäßiger Routine-Check für alle
Draußen-Arbeiter - um hellem Hautkrebs gar nicht erst eine Chance zu
geben.