Die «Ebola-Verschwörung»: Virus-Ausbruch lässt Gerüchteküche br odeln Von Thomas Burmeister, dpa

Noch nie zuvor hat es eine so große Ebola-Epidemie in Afrika gegeben.
Das verschafft Verschwörungstheoretikern eine Art Hochkonjunktur.

Kapstadt (dpa) - Für die Ebola-Epidemie in Westafrika gab es nach
Überzeugung von Wissenschaftlern nur einen einzigen Ursprungsort: Im
Dschungeldorf Meliandou in Guinea sei das Virus von Flughunden auf
ein Kind übertragen worden. Die grassierenden Verschwörungstheorien
rings um den bislang schlimmsten Ebola-Ausbruch der Geschichte kommen
hingegen aus vielen Orten der Welt. In Tweets, Online-Foren und
ominösen Zeitungsartikeln verbreiten sie sich über das Internet noch
viel schneller als das Virus unter den Menschen in Westafrika.

«Ich weiß nicht... Aber ich denke, diese Ebola-Epidemie ist eine Form
der Bevölkerungskontrolle», twitterte der amerikanische Hip-Hop-Star
Chris Brown an seine weltweite Gefolgschaft. Das war Wasser auf die
Mühlen jener, die - ähnlich wie schon beim Aids-Erreger HIV - nicht
an eine natürliche Entstehung des Virus glauben wollen, sondern
finstere Mächte am Wirken sehen.

Eine der abenteuerlichsten Spekulationen wurde im September in
Liberias Hauptstadt Monrovia verbreitet - in jenem Land, das am
schlimmsten von der Epidemie betroffen ist. Ebola sei eine Art
Biowaffe, erklärte Cyril Broderick, Gastdozent der amerikanischen
Delaware State University und Ex-Professor für Pflanzenkrankheiten an
der University of Liberia.

Entwickelt im Auftrag des US-Militärs, sei das Virus nach Afrika
gebracht worden, um seine Wirkung zu testen, behauptete Broderick in
der liberianischen Zeitung «The Daily Observer». In der Ortschaft
Kenema in Liberias Nachbarland Sierra Leone würden die USA eigens ein
geheimes Labor zur Virusforschung betreiben. Inspiriert hätten ihn,
räumte Broderick freimütig ein, der spannende Ebola-Doku-Thriller
«Hot Zone» von Richard Preston sowie Horror-Autor Stephen King.

«Dies ist genau die Art von Veröffentlichung, die unserem Kampf gegen
Ebola mehr schadet als nützt», erboste sich Lamii Kpargoi vom Liberia
Media Center, das sich für verantwortungsvollen Journalismus
einsetzt. Die Delaware State University winkte ab: Der Professor habe
nur von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht.

Das machen auch viele andere, die das Netz mit düsteren Geschichten
füttern. Pharmakonzerne hätten Ebola verbreitet, um kräftig an
Gegenmitteln verdienen zu können, ist eines der am häufigsten zu
lesenden Gerüchte.

In westlichen Gesellschaften hält sich der Schaden solcher
Verschwörungstheorien in engen Grenzen. In den stark von Aberglauben
sowie - angesichts des Leids der Ebola-Opfer - von Angst und
Misstrauen geprägten Gesellschaften Westafrikas bürden sie
humanitären Helfern zusätzliche Lasten auf.

«Sie wirken in ihren Schutzanzügen auf viele bedrohlich», sagt ein
Mitarbeiter einer medizinischen Hilfsorganisation, der nicht
namentlich genannt werden wollte. «Wenn sie dann gar als Agenten
böser Mächte erscheinen, kann es gefährlich für sie werden.»

Als Medium für Horrorgeschichten ist auch der «Buschfunk» geeignet.
Eine, die in Liberia ebenso wie in Sierra Leone und Guinea auf diese
Weise die Runde machte, geht so: Unsere Regierung hat die
Ebola-Stationen eingerichtet, um Geld zu scheffeln. Dort werden
Patienten getötet, damit man ihre Organe ins Ausland verkaufen kann.

Bis vor kurzem waberten Ebola-Verschwörungstheorien im Internet eher
durch dessen Randbereiche. Doch beflügelt durch die Furcht nach den
Ebola-Ansteckungsfällen in Texas würden Gerüchte auch in den
Mainstream vordringen, berichtete die «New York Times».

Die Zeitung verwies auch auf die konservativen Moderatoren Rush
Limbaugh und Laura Ingraham: Sie verbreiteten in ihren Sendungen die
Theorie, US-Präsident Barack Obama würde im Einsatz gegen Ebola das
Leben von Amerikanern riskieren, weil er Afrikanern gegenüber
Schuldgefühle wegen der Sklaverei habe.

Jenseits solcher Skandalgeschichten gibt es freilich Wahrheiten, die
kaum weniger empörend sind: Warum, zum Beispiel, hat sich weder die
Pharma-Industrie, noch irgendeine westliche Regierung bis vor kurzem
ernsthaft um einen Impfstoff gegen Ebola bemüht? Eine wohl leider
zutreffende Antwort gab die Generaldirektorin der
Weltgesundheitsorganisation, Margaret Chan: «Weil Ebola bis dahin
geografisch begrenzt war auf arme afrikanische Nationen.»