Ärzte und Apotheker sollen intensiver vor Schlafmittelsucht warnen

Anfangs schenken sie noch Ruhe und Erholung: Schlaf- und
Beruhigungsmittel werden in Deutschland millionenfach verschrieben.
Doch viele Patienten kommen alleine nicht wieder davon los.

Berlin (dpa) - Im Kampf gegen Schlafmittelsucht sollen Ärzte und
Apotheker ihre Patienten und Kunden intensiver beraten und betreuen.
Gerade ältere Menschen müssten in der Apotheke auf die Risiken
solcher Medikamente angesprochen werden, forderte der Präsident der
Bundesapothekerkammer, Andreas Kiefer, am Montag in Berlin. Das
funktioniere am besten, wenn der behandelnde Arzt miteinbezogen sei.

In Deutschland sind Schätzungen zufolge bis zu 1,2 Millionen Menschen
von benzodiazepinhaltigen Schlaf- und Beruhigungsmitteln abhängig. In
einem neuen Modellversuch, der vom Bundesgesundheitsministerium
finanziert wurde, schafften viele Süchtige den Absprung.

In Absprache mit dem Arzt wurden bei 102 schlafmittelabhängigen
Patienten die Dosierungen über mehrere Wochen nach und nach
reduziert. Wie die Studie zeigt, sind Entzugserscheinungen zu Unrecht
gefürchtet: Nur etwa fünf Prozent der Patienten hatten schwere
Probleme, sagte der Mediziner Rüdiger Holzbach.

Ein Großteil der Teilnehmer hatte vorher noch nicht versucht, von den
Mitteln loszukommen. Auch Ärzte hatten ihnen selten einen Entzug
nahegelegt: Mediziner sind laut Holzbach noch zu wenig für die
Langzeitwirkung der Schlafmittel bei älteren Menschen sensibilisiert.
Die Mittel dämpfen dann auch tagsüber, Patienten stürzen häufiger.


Die Teilnehmer der Studie waren im Schnitt rund 70 Jahre alt und
nahmen seit rund zehn Jahren Schlafmittel. Mehr als zwei Drittel
waren Frauen. Rund die Hälfte der Teilnehmer konnte nach Ablauf des
Projekts auf Arzneien aus der Gruppe der Benzodiazepine verzichten,
28 Prozent nahmen die Medikamente in niedrigerer Dosierung.

Wenn das Projekt Schule machen solle, müsse der Zusatzaufwand der
Apotheker «angemessen honoriert werden», betonte Andreas Kiefer von
der Bundesapothekerkammer. Durch die Beratung würden letztlich
weniger Medikamente verkauft. Apotheker hatten sich bei dem Versuch
pro Patient für Beratung und Dokumentation oft mehr als acht Stunden
Zeit genommen.