Forscher untersuchen Nutzen von Placebo-Effekten für Patienten Von Marc Herwig, dpa

Ein aufmunterndes Lächeln oder ein nettes Wort vom Arzt: Mit
Freundlichkeit können Mediziner ihren Patienten manchmal viel besser
helfen als mit Medikamenten, sagen einige Experten. Solche
Placebo-Effekte rücken immer stärker in den Fokus der Wissenschaft.

Tübingen (dpa) - Wie Schein-Medikamente und einfühlsame Ärzte die

Genesung von Patienten beschleunigen können, wollen Placebo-Forscher
bei einer internationalen Tagung in Tübingen erörtern. Es müsse in
der Medizin darum gehen, positive psychische Effekte zu verstärken
und Ängste von Patienten zu minimieren, sagte Tagungsleiter Professor
Paul Enck am Montag. «Solche Placebo-Effekte können häufig ebenso
stark sein wie neu entwickelte Medikamente.» Die dreitägige
Konferenz, die an diesem Mittwoch in Tübingen beginnt, ist nach
seinen Angaben die bislang größte Placebo-Tagung weltweit.

Die Auswirkungen von solchen und ähnlichen Effekten sind Enck
zufolge weitreichend. So führe etwa eine ausführliche Aufklärung üb
er
die Risiken einer Operation dazu, dass Patienten anschließend
tatsächlich häufiger an einer dieser Komplikationen litten. Auch die
lange Liste von Nebenwirkungen auf Beipackzetteln könne Patienten
regelrecht krank machen. «Studien zeigen: Wenn eine Nebenwirkung aus
dem Beipackzettel verschwindet, dann taucht sie auch nicht auf.»
Diese sogenannten Nocebo-Effekte, quasi negative Placebo-Effekte,
rückten deshalb immer stärker in den Fokus der Forschung. «Ärzte
müssten sich viel mehr Gedanken darüber machen, wie sie auf ihre
Patienten wirken», forderte Enck.

«Ein Placebo-Effekt ist keine Einbildung. Sie simulieren im Körper
tatsächlich die Wirkung von Medikamenten», betonte der Professor für

Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Das könnten sich Ärzte
bei der Behandlung zunutze machen.

Gleichzeitig rücke auch die Rolle der Mediziner selbst immer
stärker in den Mittelpunkt. Patienten mit einer Erkältung fühlten
sich im Schnitt einen Tag schneller wieder gesund, wenn sie einen
einfühlsamen, empathischen Arzt hätten. Ähnliche Studien gebe es bei

Herz-Operationen. «Placebo-Effekte haben viel mehr mit den Ärzten zu
tun als mit den Patienten», betonte der Forscher.

Gestresste und wenig empathische Ärzte erzielen Enck zufolge
schlechtere Behandlungserfolge. Sein Fazit: Die sprechende Medizin
müsse gegenüber der Apparate-Medizin gestärkt und besser bezahlt
werden.