Heftige Debatte über Beschneidung - Kein Fraktionszwang

Das Bundesjustizministerium will die Beschneidung von Jungen unter
bestimmten Bedingungen erlauben. Aber die Debatte geht weiter. Auch
innerhalb der Parteien streiten Gegner und Befürworter.

Berlin (dpa) - Die Eckpunkte des Bundesjustizministeriums zur
Regelung der Beschneidung haben die Debatte über das umstrittene
Thema neu angefacht. Mehrere Abgeordnete forderten, bei der
Abstimmung im Bundestag die Fraktionsdisziplin aufzuheben.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte am
Dienstag vorgeschlagen, die Beschneidung von jüdischen und
muslimischen Jungen künftig unter bestimmten Voraussetzungen zu
erlauben. Die Vorlage erntete Zustimmung, aber auch Kritik.

Regierungssprecher Steffen Seibert begrüßte die Eckpunkte am
Mittwoch mit den Worten: «Wir sind ein weltoffenes, ein tolerantes
Land - wir sind ein Land, in dem die Religionsfreiheit ein wichtige
Rolle spielt.» Es gehe jetzt darum, die Verunsicherung nach dem
Urteil des Kölner Gerichts zu beenden, das im Mai die religiös
motivierte Beschneidung als strafbar eingestuft hatte. Der Bundestag
wird voraussichtlich noch im Herbst über die Regelung entscheiden.

Nach dem vorgelegten Entwurf bliebe eine Beschneidung, die mit
Einwilligung der Eltern und nach den Regeln der ärztlichen Kunst
vorgenommen wird, zwar eine Körperverletzung. Sie wäre aber nicht
rechtswidrig und damit nicht strafbar. Der Sprecher des
Justizministeriums, Anders Mertzlufft, nannte am Mittwoch als
zentrale Weichenstellung, dass die Beschneidung künftig unter
gewissen Voraussetzungen im Rahmen des elterlichen Sorgerechts
erlaubt werden soll. Zudem sollten religiöse Gründe dabei nicht
ausdrücklich hervorgehoben werden. Es dürfe nicht sein, dass «der
Staat am Ende die Erforschung der Motive» übernehmen müsse.

Als wichtigste Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer
Beschneidung nannte der Sprecher die fachgerechte und möglichst
schonende Ausführung mit effektiver Schmerzbehandlung. Der Eingriff
dürfe nur nach umfassender Aufklärung ausgeführt werden, die Eltern
müssten möglichst den Kindeswillen mit einbeziehen. Ausnahmen sollten
greifen, wenn das Kindeswohl gefährdet sei. Die Beschneidung müsse
«nach den Regeln der ärztlichen Kunst» ausgeführt werden, innerhalb

der ersten sechs Lebensmonate sei dies aber auch durch Nicht-Ärzte
möglich.

Der Zentralrat der Muslime inn Deutschland begrüßte den Vorschlag
des Justizministeriums. Der Entwurf trage zur Rechtssicherheit bei,
sagte die Generalsekretärin des Zentralrates, Nurhan Soykan, am
Mittwoch in Köln. Kritisch zu prüfen sei allerdings der Punkt, wonach
Eingriffe bei Kindern bis zum Alter von sechs Monaten nicht der
Arztpflicht unterliegen sollen, Eingriffe bei älteren Kindern aber
schon. Jüdische Jungen werden in der Regel in den ersten Lebenstagen
beschnitten, muslimische deutlich später. Schon am Dienstag hatte der
Zentralrat der Juden in Deutschland die Eckpunkte begrüßt.

Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck lobte den Vorstoß de
r
Justizministerin. «Das ist eine grundsätzlich vernünftige Lösung.
» In
der Grünen-Fraktion gebe es aber unterschiedlicher Meinungen. Die
Abstimmung werde deshalb freigegeben. Der FDP-Abgeordnete Heiner Kamp
nannte die Vorschläge «nicht überzeugend». Er werde einem
entsprechenden Gesetz nicht zustimmen. «Ich gehe auch davon aus, dass
die Fraktionsdisziplin hier keine Rolle spielt.»

«Grundsätzlich positiv, wenn auch im Detail noch
klärungsbedürftig» nannte die SPD-Religionsbeauftragte Kerstin Griese

den Vorschlag. Der Deutsche Kinderschutzbund begrüßte die Vorlage.
Allerdings müsse das Vetorecht der Kinder gestärkt werden.

Der Hamburger Rechtsprofessor Reinhard Merkel, der das Kölner
Urteil verteidigt hatte, sagte zum Vorschlag: «Ich halte nichts
davon. Der Entwurf schützt das Kind nicht gebührend.» Scharfe Kritik

kam von der Deutschen Kinderhilfe. «Das wäre gesetzlich legitimierte
Kindermisshandlung von Laien», sagte Vorstand Georg Ehrmann.