Kassenausstiegs-Debatte zwischen Zorn und Galgenhumor Von Klaus Tscharnke, dpa

Nürnberg (dpa) - Die einen gaben sich verbittert, andere
reagierten mit Galgenhumor auf ihre Lage. Gut zu sprechen auf die
Krankenkassen war an diesem frühen Mittwochabend in der Nürnberger
Arena auf jeden Fall keiner der dort versammelten Hausärzte, als dort
über einen kollektiven Ausstieg entschieden wurde - in einer sich
über Stunden hinziehenden Abstimmung.

Entsprechend viel Jubel erntete der Chef des Bayerischen
Hausärzteverbandes, als er seine 6000 bis 7000 Standeskollegen zu
einem «Aufbäumen gegen das kunstvoll konstruierte Unrechtssystem» der

Kassenärztlichen Vereinigungen aufrief.

Für viele Ärzte traf Hoppenthaller damit den Kern des Problems.
Sie fühlten sich gegängelt von der ausufernden Bürokratie der
Kassenärztlichen Vereinigung, die das Geld der Kassen an die Ärzte
verteilt. Und von den Spardiktaten der Krankenkassen fühlten sie
sich in ihrer Existenz bedroht.

Vor allem die Landärzte waren am Mittwoch nicht besonders gut auf
Politik und Kassen zu sprechen. «Wenn die Hausärzte keine Garantie
erhalten, macht das auf dem Land bald keiner mehr», schimpfte etwa
der aus dem unterfränkischen Maßbach stammende Hausarzt Uwe Born.

So wie Born hatte auch sein Kollege Ottmar Dettner aus dem
unterfränkischen Hammelburg schon zu Beginn der Hausärzte-
Vollversammlung seine schriftliche Austrittserklärung in eine der
neun grauen Urnen gesteckt. Noch vor Ort wurden die mit Barcode
versehenen Erklärungen eingescannt, die Ergebnisse an eine
Großbildleinwand projiziert.

Über die Verbindlichkeit der Erklärungen herrschte derweil auch
bei den Ärzten am Mittwochabend Unklarheit. Da Hoppenthaller sie
ursprünglich erst beim Erreichen eines 60-Prozent-Quorums dem
Kassenzulassungsausschuss übergeben wollte, und das auch erst im
Januar, sahen darin etliche Ärzte erst einmal kaum mehr als eine
Ansichtserklärung.

Der Unterfranke Dettner reagierte auf die Frage nach dem damit
verbundenen Risiko für sich und seine Familie mit Galgenhumor. «Ich
kann Tapezieren und Holzhacken - mir wird schon fast einfallen».
Etwas ernster setzt er dann hinzu: «Ich kann etwa zwei Jahre von
meinen Rücklagen leben - danach sehe ich weiter.»

Vielen Teilnehmern aus der Seele sprach derweil der Augsburger
Hausarzt Thomas Blumrich, der mit der Rückgabe seiner Kassenzulassung
noch zögerte: «Im Moment bin ich noch unschlüssig. Ich warte mal ab,

wie das heute läuft. Vielleicht werde ich im Laufe der Veranstaltung
umgestimmt», sagte der Mediziner.

Diese Haltung teilten wohl viele. Das führte letztlich dazu, dass
bis zum Ende der Veranstaltung nur knapp 40 Prozent der rund 7000
bayerischen Hausärzte für einen Kassenausstieg stimmten.
Hoppenthaller entschied daraufhin, seinen Standeskollegen Bedenkzeit
bis zum 18. Februar zu geben. Bis dahin könnten sie ihre Stimmen noch
auf dem Postweg einreichen.

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## Redaktionelle Hinweise
- Meldung nach Ende der Abstimmung
- Aktualisierte Zusammenfassung bis 2100 - ca. 50 Zl

## Internet
- [Bayerischer Hausärzteverband](www.bhaev.de)

## Orte
- [Arena](Kurt-Leucht-Weg 11, Nürnberg)
- [Bayerischer Hausärzteverband](Orleansstr. 6, München)