Der Fußball knüpft ein Anti-Stress-Netzwerk Von Maximilian Haupt, dpa

Tabus brechen, aufklären, Verständnis schaffen: Die Versprechen nach
dem Tod von Robert Enke waren zahlreich und groß. Zwölf Monate später

hat sich im Spitzensport wenig verändert, sagt der Sportpsychologe
Jens Kleinert - und doch gibt es ein neues Netzwerk im Fußball.

Köln (dpa) - Die Versprechen waren groß, die Erwartungen auch. Und
tatsächlich: Ein Jahr nach dem Selbstmord von Robert Enke entsteht im
Fußball ein Netzwerk zur Stressprävention. Wie der Sportpsychologe
Jens Kleinert in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa
sagte, entwickeln die Deutsche Fußball Liga (DFL) und die
Spielergewerkschaft VDV zusammen mit Wissenschaftlern seit Monaten
ein System, um Profis präventiv Unterstützung vor psychischen
Problemen anbieten zu können. «Auch die Robert-Enke-Stiftung und der
DFB haben Interesse an einer Kooperation gezeigt», sagte Kleinert.

«Der Blick ist immer noch zu wenig auf psychologisches Training
oder auf die Prävention von Stress und Burnout gerichtet», sagte
Kleinert. Es müsse noch mehr Angebote geben wie «Mentaltalent». Die
Deutsche Sporthochschule in Köln bietet jungen Athleten mentales
Training zur Stressbewältigung an. Kleinert ist Projektleiter.

Während sich «Mentaltalent» an junge Kaderathleten richtet, soll
das gerade entstehende Netzwerk im Fußball den Profis dabei helfen
Rückschläge zu verarbeiten und Burnout oder Depressionen erst gar
nicht entstehen zu lassen. «Da wir alle mehr Rückschritte als
Lösungen haben, ist es ebenso wichtig mit Niederlagen umzugehen wie
Erfolge zu genießen. Manchen fällt das schwerer, denen wollen wir
helfen», sagte Kleinert.

Mehr Menschlichkeit, Maß und Balance hatte DFB-Präsident Theo
Zwanziger vor einem Jahr gefordert. Sein Satz «Fußball ist nicht
alles» blieb in Erinnerung. Doch seit Robert Enkes Tod haben
sich die Bedingungen in der Leistungsgesellschaft Profisport nach
Kleinerts Ansicht nicht wesentlich verändert: «Der andere kann zwar
mein Freund sein, ist aber häufig auch mein Konkurrent. Es ist daher
schwer, die Mitspieler mit einzubeziehen», sagte er. Die Scheu über
Regenerations- und Stressprobleme zu sprechen, sei noch immer
groß.   

Dass insbesondere der Fußball bei dem Thema wieder so stark in der
Öffentlichkeit steht, findet Kleinert nicht gut. «In anderen
Sportarten besteht dieselbe Situation», sagte der Leiter der
Abteilung «Gesundheit und Sozialpsychologie» in Köln. «Ich glaube
sogar, dass die Offenheit im Fußball fast ein wenig größer ist, als
in anderen Profibereichen.»

   Eine Mannschaft um sich zu haben, sei aber nicht zwangsläufig ei
n
Vorteil beim Kampf gegen psychische Probleme. «Eine Mannschaft kann
da natürlich entlasten, sie kann aber genauso stören», erklärte
Kleinert. «Bei Burnout oder Depression spielt oft das Gefühl der
Isolation eine große Rolle. Eine Mannschaft mit starker
Konkurrenzsituation kann dies verstärken.»

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