Sportpsychologe: «Der Druck ist selbst gemacht» Von Maximilian Haupt, dpa

   Köln (dpa) - Ein Jahr nach dem Tod von Robert Enke gibt es im
deutschen Fußball erste Konsequenzen. Die Deutsche Fußball Liga (DFL)
und die Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV) arbeiten mit weiteren
Partnern an einem Netzwerk zur Stressprävention. Das sagte der
Sportpsychologe Jens Kleinert in einem Interview mit der
Nachrichtenagentur dpa.

Am 10. November jährt sich der Tod von Robert Enke. Ist das Thema
Depression in Deutschland seither weiter gekommen?

Kleinert: «Leistungssport und psychische Störungen sind vermehrt in
der Öffentlichkeit. Das bricht Tabus und ist gut. Andererseits
schmälert es die Bedeutung der Sportpsychologie, die weit über die
Betrachtung von Störungen hinausgeht. Der Blick ist immer noch zu
wenig auf psychologisches Training oder auf die Prävention von Stress
und Burnout gerichtet. Das versuchen wir derzeit aktiv zu verändern.»

Inwiefern?

Kleinert: «Zusammen mit der VDV, der DFL und der Versicherung VBG
planen wir ein Netzwerk zur Prävention und Früherkennung von
stressbedingten Störungen. Auch die Robert-Enke-Stiftung und der
Deutsche Fußball-Bund haben Interesse an einer Kooperation gezeigt.
In den vergangenen Monaten haben wir dieses Vorhaben aber noch sehr
diskret verfolgt und sind noch nicht soweit, mit Details an die
Öffentlichkeit zu gehen.»

Im Fußball bewegt sich also etwas seit dem vergangenen Jahr?

Kleinert: «Ja, möglicherweise auch geprägt durch Druck der
Öffentlichkeit. Man tut dem Fußball aber auch ein wenig unrecht. In
anderen Sportarten besteht dieselbe Situation. Es gibt keine
Unterschiede im Burnout zwischen Einzel- und Mannschaftssportlern.»

Eine Mannschaft um mich herum macht also keinen Unterschied?

Kleinert: «Entscheidend ist nicht, ob Mannschafts- oder
Einzelsportler, sondern die Belastungsstruktur, die auf einen
einwirkt. Eine Mannschaft kann da natürlich entlasten, sie kann aber
genauso stören. Bei Burnout oder Depression spielt oft das Gefühl der
Isolation eine große Rolle. Eine Mannschaft mit starker
Konkurrenzsituation kann dies verstärken.»

Welche Rolle spielt es, in der Öffentlichkeit zu stehen?

Kleinert: «Habe ich Erfolg, ist das toll. Wenn mein Selbstwertgefühl
aber sinkt und ich zusätzlich das Gefühl habe, von anderen, also der
Öffentlichkeit, bewertet zu werden, geht es mir doppelt schlecht. Das
verstärkt den Druck und das Gefühl der Unfähigkeit. Zudem können di
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Athleten sich nicht öffnen, dazu braucht man etwas Vertrautes, und
das ist nicht die Öffentlichkeit.»

Was ist mit Mannschaftskollegen?

Kleinert: «Im Profibereich herrscht eine große Konkurrenzsituation.
Der andere kann zwar mein Freund sein, ist aber häufig auch mein
Konkurrent. Es ist daher schwer, die Mitspieler mit einzubeziehen.
Meist wollen es die Betroffenen auch gar nicht. Da ist eine
irrationale Scheu, über eigene Erholungs- und Stressprobleme zu
berichten.»

Wo hört denn Frust auf und wo fängt die Depression an?

Kleinert: «Das ist schleichend. Misserfolg ist im Sport immer da. Das
ist gut so. Dadurch lernen wir, damit umzugehen. Da wir alle mehr
Rückschritte als Lösungen haben, ist es ebenso wichtig mit
Niederlagen umzugehen wie Erfolge zu genießen. Manchen fällt das
schwerer, denen wollen wir helfen.»

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