Gesucht: Pflegeheim mit Lebensqualität - Das Internet soll helfen Von Marc-Oliver von Riegen, dpa

Berlin (dpa) - Der jüngste Pflegebericht der Krankenkassen macht
nicht unbedingt Mut bei der Suche nach einem Pflegeheim. Bei jedem
zehnten Heimbewohner sprachen die Prüfer von einem unzureichenden
Pflegezustand. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) weiß,
dass es noch viel zu verbessern gibt. Mit einer umfassenden Reform
will sie die «Minutenpflege» stoppen. Doch die Neuregelung soll
frühestens 2010 kommen. Um jetzt schon gegen Pflegemängel wie
Untergewicht oder Druck- und Liegegeschwüre (Dekubitus) vorzugehen,
die immer wieder vorkommen, erhalten Heime von diesem Jahr an
Schulnoten von den Kassen. Zudem startet nun eine freiwillige
Internetseite von Heimbewohnern und Verbraucherministerium.

Der Prüfdienst der Krankenkassen muss die Pflegeheime im Rahmen
der Reform genau unter die Lupe nehmen. Wenn die Ergebnisse der
Pflichtprüfung veröffentlicht werden, bekommen die Heime Noten von
«sehr gut» bis «mangelhaft». Dann sehen Pflegebedürftige und
Angehörige genau, wie es um die Qualität der Einrichtung bestellt
ist. Damit nicht genug: Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU)
fördert ein Projekt der Interessenvertretung der Heimbewohner, das
bis 2010 alle Alten- und Pflegeeinrichtungen im Internet auflisten
und ein Siegel für Lebensqualität vergeben will.

In den rund 10 400 Pflegeheimen in Deutschland sind etwa 677 000
Bedürftige untergebracht. In 40 Jahren werde es doppelt so viele 60-
Jährige wie Neugeborene geben, sagte Aigner am Dienstag beim
symbolischen Start des freiwilligen Heimverzeichnisses. «Wenn sich
Menschen entschließen, in ein Heim zu gehen, brauchen sie eine
Übersicht über die Qualität der jeweiligen Heimeinrichtung.» Die
Pflege sei allerdings nur ein Teil davon. Der Ministerin geht es vor
allem um «weiche Faktoren» wie die Lebensqualität.

Vom Frühjahr an sollen ehrenamtliche Gutachter deshalb prüfen, wie
es mit Verpflegung, Betreuung, Selbstbestimmung, aber auch mit dem
Respekt vor den älteren Menschen aussieht. Sie befragen die
Heimleitung, die Vertreter von Bewohnern, nehmen am Essen teil und
machen sich in mehreren Stunden selbst ein Bild. Bei der Bewertung
liegt auch die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger
Menschen zugrunde. Ein grüner «Smiley», ein lachendes Gesicht, soll
im Internet ein Heim mit guter Qualität symbolisieren.

Doch das Projekt hat Haken: Es ist freiwillig. Bisher ist unklar,
wie viele Heime mitmachen werden, auch wenn rund 100 Einrichtungen im
Raum Berlin/Brandenburg sowie Hannover an einem Test teilnahmen. Die
Geschäftsführerin der Bundesinteressenvertretung der Nutzer von Wohn-
und Betreuungsangeboten (BIVA), Katrin Markus, räumt ein, es hätten
sich noch nicht genug Heime gemeldet. Denn schon bald sollen die
Prüfer in Schleswig-Holstein loslegen. Das Heimverzeichnis weist
zudem keine negativen Bewertungen auf. «Wir stellen keinen an den
Pranger», erklärte Aigner.

Das Bundesgesundheitsministerium setzt auf die Pflichtbewertung
durch die Kassen und Heimträger, auch wenn die freiwillige Aktion des
Verbraucherministeriums die Pflegequalität nicht außen vor lassen
will. «Das ersetzt nicht die Prüfung dessen, was ein Pflegeheim
leistet und welche Qualität es anbietet», sagte Ministeriumssprecher
Klaus Vater. Die Macher des freiwilligen Internetangebots sind
dennoch überzeugt, dass die Qualität in den Heimen verbessert werden
kann. «Die Lebensqualität schließt auch die Pflegeleistung mit ein»
,
sagt die Vorsitzende des Berliner Landesseniorenbeirats, Regina
Saeger. «Uns geht es nicht nur um Mittagessen, satt und trocken.»

(Internet: Freiwillige Heimbewertung: www.heimverzeichnis.de)
dpa vr yydd a3 as