DocMorris setzt nach Apotheken-Liberalisierung auf Doppelstrategie

Frankfurt (dpa) - Nach einer möglichen Liberalisierung des
abgeschotteten deutschen Apothekenmarktes will die Versandapotheke
DocMorris neben dem Aufbau einer Apotheken-Kette auch ihr Franchise-
Netz weiter vergrößern. «Wir werden definitiv ein duales System
fahren, wir werden Apotheken kaufen, aber die Kooperationen weiter
ausbauen», sagte DocMorris-Chef Ralf Däinghaus am Freitag im Gespräch
mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.

Derzeit gehören rund 150 deutsche Apotheken zu dem Franchise-
System des niederländischen Unternehmens. Dabei gehen die Apotheker
eine Marktpartnerschaft ein und werben mit dem Logo. Da DocMorris
eigenen Angaben zufolge in Deutschland einen hohen Bekanntheitsgrad
hat, könnten Apotheker von den Vermarktungsmöglichkeiten profitieren.

Wenn es zu einer Liberalisierung kommt, sei zudem ein Ziel,
innerhalb von drei bis fünf Jahren 500 neue Filialen zu eröffnen,
sagte Däinghaus. Seit Sommer 2006 betreiben die Niederländer bereits
eine «Modell-Apotheke» in Saarbrücken. Damit haben sie den Unmut
mehrerer saarländischer Apotheker hervorgerufen. Deren Klage wird
derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelt.

Bisher darf nur ein Apotheker eine Apotheke betreiben und besitzen
- ein größeres Filialnetz ist zudem nicht erlaubt. Das Saarland sah
aber durch das deutsche Apothekengesetz das europäische Recht zur
Niederlassungsfreiheit verletzt und erlaubte DocMorris die Eröffnung
der Saarbrücker Apotheke. Einzige Auflage: Das Unternehmen musste
eine Apothekerin als Filialleiterin einstellen.

Am 16. Dezember gibt der Generalanwalt am EuGH seine Empfehlung
bezüglich des europäischen Verfahrens zur Liberalisierung des
Apothekenmarktes in Deutschland ab. Sein Votum gilt als eine Art
Vorentscheidung, denn der EuGH in Luxemburg folgt in neun von zehn
Fällen der Empfehlung. Mit einem Urteilsspruch wird dann bis zum
Herbst 2009 gerechnet. Die meisten Experten erwarten einen Wegfall
des Fremd- und Mehrbesitzverbotes.

Wenn es zu dieser Entscheidung kommt, rechnet der Mutterkonzern
von DocMorris, Celesio, im ersten Jahr mit einem Zukauf von 30 bis 50
Apotheken. Viele Apotheker hätten im Falle einer Liberalisierung
einen möglichen Verkauf ihrer Apotheke signalisiert, sagte Däinghaus.
Allerdings räumte er ein: «Es gibt auch viele Apotheker darunter, die
nur den Marktwert ihrer Apotheke schätzen lassen wollen.»

Der deutsche Pharmamarkt lässt sich dem DocMorris-Chef zufolge in
Europa am ehesten mit dem englischen vergleichen. «England hat eine
ähnlich große Bevölkerung wie Deutschland», sagte Däinghaus. Auf
der
Insel ist der Apothekenmarkt seit Jahren liberalisiert. Nur etwa die
Hälfte der Apotheken dort gehörten aber zu Ketten. Diese wiederum
seien nicht nur im Besitz weniger großer Konzerne, sondern viele
gehörten mit 20 bis 30 Filialen dem Mittelstand an. Celesio besitzt
in Großbritannien mit seiner Tochter Lloyds rund 1700 Apotheken und
hält nach eigenen Angaben einen Marktanteil von 14 Prozent.

Für den deutschen Apothekenmarkt haben sich bereits eine Reihe
unterschiedlicher Spieler in Position gebracht. Deutsche Apotheken
fürchten, dass auch Supermärkte und Drogerien nach einem Urteil des
EuGH in das lokale Medikamenten-Geschäft einsteigen. Als potenzielle
Konkurrenten für die Celesio-Tochter sieht DocMorris-Chef Däinghaus
vor allem Phoenix, Alliance Boots und die holländische OPC. Aber auch
Drogerieketten wie dm und Schlecker sowie Einzelhändler dürften eine
Rolle auf dem deutschen Apothekenmarkt spielen. Die Drogeriekette dm
kooperiert mit der niederländischen Europa Apotheek, die wiederum zur
weltgrößten US-Versandapotheke Medco Health Solutions gehört.

Im Vergleich zu anderen Ländern ist der deutsche Apothekenmarkt
nach Auffassung von Däinghaus noch Entwicklungsland. «Die Strukturen
sind schlecht, es gibt auf dem Land eine Unterversorgung», begründet
er dies. Ein liberalisierter Markt wie in Norwegen habe dagegen
Vorteile. Dort habe der Gesetzgeber die Kettenbetreiber verpflichtet,
auch die ländlichen Gebiete zu versorgen. Für Unternehmen sei das
Betreiben von Apotheken viel günstiger als für den einzelnen
Pharmazeuten. So könnten unter anderem Einkauf und Abrechnungen
zentral gesteuert werden. Landapotheken hätten aber auch finanziell
für Ketten ihre Reize wegen ihrer Monopolstellung, fügte er hinzu.

Gespräch: Michaela Nehren-Essing, dpa-AFX
dpa ne yyfx a3 ir/gin