267 Euro für den Krankenwagen: Patienten drohen hohe Kosten Von Marc Herwig, dpa
Ob Herzinfarkt oder Atemnot: In einem Notfall hilft der
Rettungsdienst. Doch wer die 112 wählt, muss womöglich bald
Rechnungen über mehrere hundert Euro bezahlen.
Essen (dpa/lnw) - Auf Patienten in Nordrhein-Westfalen könnten ab dem
Jahreswechsel hohe Kosten zukommen, wenn sie den Rettungsdienst
alarmieren. Die Stadt Essen legt nun als erste Stadt konkrete
Berechnungen vor: Demnach müssen Patienten 267 Euro Eigenanteil
bezahlen, wenn sie einen Krankenwagen brauchen. Für einen
Krankentransport etwa zur Dialyse oder zur Chemotherapie will die
Stadt den Bürgern demnach 62 Euro in Rechnung stellen - zusätzlich zu
dem Betrag, den die Krankenkasse zahlt.
Hintergrund ist ein Streit ums Geld zwischen den Kommunen und den
Krankenkassen. Weil die Verhandlungen festgefahren sind, sehen
mehrere Kommunen keinen anderen Ausweg, als die Patienten für
Rettungseinsätze zur Kasse zu bitten. Mehrere Kreise und Großstädte
in NRW haben bereits solche Regelungen angekündigt.
Wer zahlt für Fehlfahrten?
Bei dem Streit geht es vor allem um die Kosten für sogenannte
Fehlfahrten. Sie entstehen, wenn ein Rettungswagen gerufen wird,
letztlich aber kein Patient ins Krankenhaus kommt. Nach Angaben der
Kommunen machen solche Fahrten bis zu 25 Prozent aller Einsätze aus.
Geld bekommen die Träger der Rettungsdienste - also Städte und Kreise
- für solche Fehlfahrten in der Regel nicht.
Die Kosten dafür wurden bislang einfach auf alle tatsächlichen
Einsätze umgelegt. Doch das wollen die Krankenkassen nicht länger
mitmachen und berufen sich auf geltende Bundesgesetze.
Kommunen bleiben auf 250 Millionen Euro sitzen
Sollten die Krankenkassen ab dem Jahreswechsel Ernst machen, blieben
die Kommunen in NRW auf Kosten von mindestens 250 Millionen Euro
jährlich sitzen, rechnet der Städtetag NRW vor.
Auch das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium sieht bislang
keine Möglichkeit, den Kommunen zu helfen. Das Land habe keine
rechtliche Handhabe, die Krankenkassen zur Kostenübernahme für
Fehlfahrten zu verpflichten, erklärte das Ministerium zuletzt.
Zahlen müssten die Patienten
Welche teuren Folgen das für Patienten konkret haben könnte, zeigt
nun erstmals die Berechnung der Stadt Essen: 1.020 Euro kostet ein
Einsatz eines Rettungswagens dort laut Gebührenordnung. Die Rechnung
dafür will die Stadt auch künftig zunächst an die Krankenkasse des
Patienten schicken.
Allerdings sei zu erwarten, dass die Krankenkassen wegen des Streits
um die Fehlfahrten den Rechnungsbetrag ab dem kommenden Jahr mindern
und nur einen Teil der Summe überweisen werden, schreibt die
Stadtverwaltung in einer Vorlage für den Stadtrat. Konkret geht sie
davon aus, dass von jeder Rechnung für einen Rettungswagen-Einsatz
267 Euro offen bleiben.
Über diese Summe werde man dann einen Gebührenbescheid an den
jeweiligen Patienten schicken müssen.
«Mir bleibt im Moment keine andere Möglichkeit»
«Ich sehe diese Lösung selbst sehr kritisch, aber mir bleibt im
Moment keine andere Möglichkeit, als das auf die Bürger abzuwälzen»
,
sagte Essens Ordnungsdezernent Christian Kromberg der «WAZ».
Der Rhein-Sieg-Kreis rechnet ganz ähnlich: Dort nennt die
Kreisverwaltung zwar keine konkreten Summen, erwartet aber, dass die
Krankenkassen die Fahrten der Rettungswagen im kommenden Jahr nur
noch zu etwa 70 Prozent bezahlen werden.
Krankenkassen sehen keinen Spielraum
Die Krankenkassen argumentieren, die Rechtslage lasse ihnen gar
keinen Spielraum: Sie dürften nur für Kosten aufkommen, die für die
Versorgung ihrer eigenen Versicherten entstehen, schreiben sie in
einer gemeinsamen Stellungnahme. Sonstige Kosten - etwa für
Fehlfahrten von Rettungswagen - müssten die Kommunen selbst tragen.
Vor allem aber fordern die Krankenkassen eine Reform des
Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen. Es müsse «deutlich
effizientere und schlankere Strukturen» geben - das würde auch Kosten
sparen.
Kommunen rufen Bund und Land zum Handeln auf
Die Kommunen rufen die Bundespolitik dringend zum Handeln auf - nur
der Bund könne die Lücken in den gesetzlichen Regelungen schließen.
Zwei Reformen der Notfallversorgung seien dort seit 2019 gescheitert,
kritisiert die Essener Stadtverwaltung.
Der Städtetag fordert auch das NRW-Gesundheitsministerium auf,
schnell zu handeln und in den Verhandlungen mit den Krankenkassen zu
vermitteln, damit doch noch eine Lösung gefunden werde. Sonst drohten
Gefahren für die Gesundheitsversorgung der Menschen in
Nordrhein-Westfalen. Denn wer zum ersten Mal eine Rechnung über einen
Rettungseinsatz bekomme, überlege beim nächsten Notfall zweimal, ob
er die 112 wähle.
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