Bund-Länder-AG sucht Lösung für Pflegereform Von Sascha Meyer, dpa
Die Antwort auf steigende Kosten für die Pflege waren zuletzt vor
allem höhere Beiträge. Nun kommt ein neuer Anlauf für weitreichendere
Ideen.
Berlin (dpa) - Die Pflege kommt Millionen Betroffene und ihre
Angehörigen immer teurer zu stehen, und die Kosten für die
Pflegeversicherung steigen. Um die Finanzen grundlegend abzusichern,
soll jetzt eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern Vorschläge für
eine Reform entwickeln. Das im Koalitionsvertrag von Union und SPD
vorgesehene Gremium kam in Berlin zu seiner ersten Sitzung zusammen.
Ergebnisse sollen noch in diesem Jahr vorgelegt werden.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sagte vor dem Auftakt
im ZDF, es gehe um ein Gesamtpaket, um Stabilität in die
Pflegeversicherung zu bekommen. Die AG habe dazu einen breiten
Auftrag und «keine Denkverbote». Zu schauen sei etwa auch, welche
Leistungen es künftig geben solle. Wichtig sei Prävention, um
Menschen davor zu schützen, pflegebedürftig zu werden.
AG für einen «Zukunftspakt Pflege»
Der Arbeitsgruppe für einen «Zukunftspakt Pflege» gehören für den
Bund auch Familienministerin Karin Prien (CDU) und weitere
Ministerien an, auf Länderseite die für Pflege zuständigen
Ressortchefs. Beteiligt sind zudem die kommunalen Spitzenverbände und
die schwarz-roten Koalitionsfraktionen im Bundestag.
Die Finanznöte in der Pflege sind schon chronisch geworden. Nach
einem Defizit von 1,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr kam Anfang
2025 die nächste Beitragsanhebung nach der vorherigen im Sommer 2023.
In diesem Jahr erwartet die Pflegeversicherung ein kleines Minus von
166 Millionen Euro. Die Bundesregierung will zur Stabilisierung ein
Darlehen von 500 Millionen Euro zuschießen und 2026 noch eins von 1,5
Milliarden Euro. Damit im nächsten Jahr nicht gleich wieder
Beitragserhöhungen kommen müssen, fehlt aber noch Geld.
Die Finanzspritzen sollen der Politik jetzt Zeit verschaffen, um die
angepeilte «große Reform» anzugehen. Die Baustellen und
Stellschrauben im Überblick:
Mehr Pflegebedürftige
Die Zahl der Menschen, die Pflegeleistungen bekommen, nimmt deutlich
zu - und zwar «in stärkerem Maße, als durch die Alterung der
Gesellschaft erwartbar ist», wie das Statistische Bundesamt
erläuterte. Hintergrund ist eine Reform von 2017, die weiter gefasste
Kriterien für die Einstufung einer Pflegebedürftigkeit einführte.
Aktuell gibt es 5,6 Millionen Leistungsempfänger, nachdem es 2019 4,0
Millionen gewesen waren. Bis 2055 könnte es nach einer Prognose der
amtlichen Statistiker einen Anstieg auf 7,6 Millionen
Pflegebedürftige geben.
Mehr Kosten
Die Ausgaben der Pflegeversicherung stiegen im vergangenen Jahr auf
63,2 Milliarden Euro nach knapp 57 Milliarden Euro 2023. Im Jahr 2014
waren es noch 24 Milliarden Euro gewesen und 2019 gut 40 Milliarden
Euro. Ein großer Kostenfaktor sind dabei steigende Personalausgaben
für dringend benötigte Pflegekräfte. Seit 2022 darf es
Versorgungsverträge der Pflegekassen nur noch mit Heimen geben, die
nach Tarifverträgen oder ähnlich bezahlen.
Mehr aus eigener Tasche
Für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bedeutet Pflege, dass sie
einen Teil selbst zahlen müssen - und der steigt und steigt. Denn die
Pflegeversicherung trägt anders als die Krankenversicherung nicht die
vollen Kosten. Für die rund 800 000 Pflegebedürftigen in Heimen
kommen Unterkunft und Verpflegung dazu, weitergegeben werden auch
Umlagen für Investitionen in den Heimen und Ausbildung. Anfang 2025
summierte sich das nach Kassendaten im ersten Jahr des
Heimaufenthalts im Bundesschnitt auf fast 3000 Euro im Monat.
Erste Entlastungen
Einige Kostendämpfer haben vorherige Bundesregierungen schon
installiert. So bekommen Heimbewohnerinnen und Heimbewohner
inzwischen angehobene Zuschläge, die den Anstieg der Zuzahlungen für
die reine Pflege mildern sollen. Die Pflegekassen kostet das immer
mehr - für 2025 werde ein Anstieg auf 7,3 Milliarden Euro erwartet,
heißt es in einem Bericht des Bundesrechnungshofs. Das Pflegegeld für
Menschen, die daheim betreut werden, wurde 2024 nach mehreren Jahren
wieder erhöht. Ein Bundeszuschuss wurde aber gestrichen.
Palette an Vorschlägen
Diverse Vorschläge für eine Finanzreform liegen längst auf dem Tisch:
von mehr Steuermilliarden über Deckel für Eigenanteile bis zu einem
Umbau des Modells zu einer Vollversicherung, die alle Pflegekosten
trägt. Die Pflegekassen fordern auch, dass der Bund
Milliardenausgaben aus der Corona-Krise erstattet und Rentenbeiträge
für pflegende Angehörige übernimmt. Die Bund-Länder-AG soll auch
Anreize für mehr Eigenvorsorge prüfen - und den Umfang von
Leistungen.
Mehr Geld vom Staat oder private Vorsorge?
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnte: «Der Zukunftspakt
Pflege kann nur gelingen, wenn Bund und Länder ihrer
Finanzierungspflicht nachkommen.» Bund und Länder seien dafür
verantwortlich, dass der Pflegeversicherung und den Pflegebedürftigen
bisher 15 Milliarden Euro jährlich vorenthalten würden. Der Verband
der Privaten Krankenversicherung warb für eine Förderung privater
Vorsorge. Milliardenschwere Fehlsteuerungen müssten jetzt auf den
Prüfstand.
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