SPD mit Pistorius und Bas im Kabinett - aber ohne Esken Von Michael Fischer, Theresa Münch und Jörg Blank, dpa
Die SPD hat sich erst auf den letzten Drücker auf ihr Team für das
neue Kabinett verständigt. Es sind mehr Frauen als Männer dabei. Und
nur ein Bundesminister darf bleiben.
Berlin (dpa) - Nach zähem Ringen hat die SPD nur einen Tag vor der
Kanzlerwahl ihr Team für die schwarz-rote Regierung präsentiert.
Angeführt werden soll es von Vizekanzler und Finanzminister Lars
Klingbeil, der damit neben Kanzler Friedrich Merz (CDU) zum
mächtigsten Mann im Kabinett aufsteigt. Neben ihm ziehen vier
Bundesministerinnen und zwei weitere Bundesminister ins Kabinett ein,
das damit komplett ist. Die Union hatte ihr Team bereits vor einer
Woche benannt.
Aus der alten Regierung von Olaf Scholz macht nur ein
SPD-Bundesminister weiter: Boris Pistorius bleibt für Verteidigung
zuständig. Die bisherige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird als
Arbeitsministerin die wichtigste SPD-Frau im Kabinett. Eine andere
Frau, über die in den vergangenen Wochen viel diskutiert wurde,
bleibt dagegen draußen: Parteichefin Saskia Esken bekommt keinen
Kabinettsposten. Ob sie im Juni erneut für die SPD-Spitze kandidiert,
ist weiter offen.
Zwei SPD-Frauen unter 40
Es gibt eine ganze Reihe neuer SPD-Gesichter in der Regierung.
Entwicklungsministerin wird die erst 35-jährige bisherige
Integrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan, deren Eltern aus dem
Irak stammen. Nur zwei Jahre älter ist die frühere
Start-Up-Unternehmerin und jetzige Vizefraktionsvorsitzende Verena
Hubertz, die das Bauministerium übernimmt. Klingbeil, der das
Personaltableau federführend aufgestellt hat, wird damit dem
Versprechen einer personellen Erneuerung nach dem historischen
Wahldebakel bei der Bundestagswahl im Februar mit dem schlechtesten
Ergebnis seit 138 Jahren gerecht.
Umweltminister wird der bisherige Ostbeauftragte Carsten Schneider
aus Thüringen. Als Justizministerin wechselt die Juristin und
bisherige rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (56)
nach Berlin.
Auch die beiden Staatsministerposten der SPD werden mit Frauen
besetzt: Elisabeth Kaiser, bisher Parlamentarische Staatssekretärin
für Bauen und Wohnen, wird Beauftragte für Ostdeutschland. Natalie
Pawlik, bisher Beauftragte für Aussiedlerfragen, wird für Migration,
Flüchtlinge und Integration zuständig sein.
Parteispitze fordert «echtes Teamplay»
«Die SPD stellt ein Team auf, das bereit ist, unser Land mutig zu
gestalten», erklärten die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil, Saskia
Esken und Generalsekretär Matthias Miersch zum Personaltableau. Die
SPD führe unter anderem zentrale Ministerien, um die geplante
Modernisierung Deutschlands durch massive Investitionen
voranzutreiben und die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
und ihrer Familien zu stärken.
«Die neue Regierung braucht mehr denn je echtes Teamplay, um
Deutschland wieder dorthin zu führen, wo es hingehört: Nach vorn»,
betonte die Parteispitze. «Das Team der SPD wird diese Aufgabe
gemeinsam annehmen.»
Gesamtkabinett: Größer, männlicher, älter
Das neue Kabinett wird insgesamt etwas größer, männlicher und älter
sein als es die Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP war, als sie
2021 antrat. Das Durchschnittsalter steigt von 50,4 auf 53,1 Jahre.
Das liegt vor allem an den elf Unionisten in der Regierung, allen
voran Kanzler Merz (69). Sie sind im Schnitt 55,5 Jahre alt, die
Sozialdemokraten dagegen nur 49,4 Jahre.
Wegen der Neugründung des Digitalministeriums gibt es künftig 18
statt bisher 17 Kabinettsmitglieder. Zum zweiten Mal in Folge wächst
die Regierung damit. Darunter sind zehn Männer und acht Frauen. In
der ursprünglichen Regierung Scholz waren es neun Männer und acht
Frauen. Nach der Ablösung von Verteidigungsministerin Christine
Lambrecht (SPD) durch Pistorius verschob sich das Verhältnis
allerdings später auf zehn zu sieben.
Auch Fraktionsvorsitz geklärt - Parteispitze noch offen
Es wird erwartet, dass die SPD noch im Laufe des Tages auch ihren
Personalvorschlag vor den Fraktionsvorsitz verkündet, den Klingbeil
wegen des Wechsels ins Kabinett abgibt. Nach Informationen der
Deutschen Presse-Agentur gibt es zwischen den Parteiflügeln eine
Verständigung darauf, dass der bisherige Generalsekretär Miersch den
Posten übernehmen soll. Er hat sich damit gegen Arbeitsminister
Hubertus Heil durchgesetzt, der bereits am Sonntag das Handtuch
geworfen hat.
Auch die Neuaufstellung der Parteispitze muss bald geklärt werden.
Sie soll auf einem Parteitag im Juni neu gewählt werden. Es wird
erwartet, dass Klingbeil als Parteichef weitermachen will - mit wem
zusammen, ist aber offen.
Spahn soll Unionsfraktion führen - CSU wählt Dobrindt-Nachfolger
Bei der CDU/CSU sind größere Personalquerelen bisher ausgebliebenen.
Am Nachmittag (16.00 Uhr) wollen die Bundestagsabgeordneten der Union
den ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als Nachfolger
von Merz zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen. Neuer Chef der
CSU-Abgeordneten soll der bisherigen parlamentarischen
Geschäftsführer Alexander Hoffmann werden. Der 50 Jahre alte
Unterfranke soll als Landesgruppenchef auf Alexander Dobrindt folgen,
der Innenminister werden soll. Von den insgesamt 208
Unionsabgeordneten im Bundestag gehören 44 der CSU an.
Union und SPD geben sich das Jawort
Mit der feierlichen Unterzeichnung des Koalitionsvertrags am Mittag
(12.00 Uhr) geben sich Union und SPD endgültig das Jawort. Früher
wurden Bündnisse von CDU, CSU und SPD «große Koalition» oder GroKo
genannt, weil die drei Parteien eine besonders große Mehrheit im
Bundestag hatten. Bei der ersten «großen Koalition» 1966 bis 1969
stellten sie 90 Prozent der Abgeordneten. Heute sind es nur noch 52
Prozent.
Merz hat das neue Bündnis nun «Arbeitskoalition» getauft. Am Dienstag
muss sie ihre erste Bewährungsprobe bestehen. Der CDU-Chef benötigt
in geheimer Wahl die Zustimmung der Mehrheit aller Abgeordneten, um
Kanzler zu werden. Das sind 316 Stimmen. Dem Bundestag gehören 328
Politiker von Union und SPD an. Trotz des dünnen Polsters gilt die
Wahl Merz' im ersten Wahlgang als ziemlich sicher, und die neue
Regierung kann dann auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Bruch
der Ampel-Koalition an die Arbeit gehen.
Scholz wird mit Zapfenstreich verabschiedet
Mit der Überreichung der Ernennungsurkunde an Merz durch
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier endet nach 1245 Tagen die
Kanzlerschaft von Scholz. Heute Abend würdigt die Bundeswehr den
SPD-Politiker vor dem Verteidigungsministerium mit einem großen
Zapfenstreich. Dem Bundestag wird Scholz aber auch nach seinem
Ausscheiden als Kanzler angehören. Er hat ein Direktmandat in Potsdam
gewonnen und will es bis zum Ende der Wahlperiode wahrnehmen.
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