Experten äußern Zweifel an britischem Babymord-Urteil
Lucy Letby soll sieben Babys auf einer Säuglingsstation getötet
haben. Sie wurde dafür zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch führende
Experten haben schwere Bedenken und fordern eine Überprüfung.
London/Manchester (dpa) - Im Fall der wegen Mords an sieben Babys
verurteilten britischen Krankenschwester Lucy Letby haben Experten
schwere Zweifel an dem Verfahren angemeldet. Letbys Anwalt stellte
nun einen Antrag auf Überprüfung des Prozesses durch eine unabhängige
Kommission.
Ein Geschworenengericht war im August 2023 zu dem Schluss gekommen,
dass die inzwischen 35 Jahre alte Kinderkrankenschwester in den
Jahren 2015 und 2016 sieben Babys unter anderem durch das Spritzen
von Luft in die Venen auf einer Neugeborenenstation tötete. Bei
sieben weiteren wurde ihr versuchter Mord angelastet.
Wurden Erkenntnisse missinterpretiert?
Die Anklage stützte sich dabei jedoch ausschließlich auf Indizien.
Auf frischer Tat ertappt wurde Letby nie. Trotzdem wurde sie zu
fünfzehnfach lebenslanger Haft verurteilt. Anträge auf Berufung
wurden abgelehnt.
Der Mediziner Shoo Lee, dessen wissenschaftliche Publikation zu
Säuglingstod durch Luft in Blutgefäßen zur Beweisführung diente, wa
rf
der Anklage nun vor, seine Erkenntnisse missinterpretiert zu haben.
Er leitete ein Gremium von 14 führenden Experten, die zu dem Schluss
kamen, dass die Todesfälle allesamt andere Gründe hatten.
«Wir haben keine Morde festgestellt. In allen Fällen waren Tod oder
Verletzung auf natürliche Ursachen zurückzuführen oder schlicht auf
schlechte medizinische Versorgung», sagte Lee.
Auch Statistiker hatten Bedenken geäußert
Der konservative Parlamentsabgeordnete David Davis bezeichnete die
Verurteilung Letbys als «eine der größten Ungerechtigkeiten der
heutigen Zeit».
Neben Medizinern hatten auch bereits führende Statistiker schwere
Bedenken hinsichtlich der Art der Beweisführung angemeldet. Die
Verurteilung sei wackelig, weil sie weitgehend auf der Häufung von
Todesfällen basierte, wenn die Krankenschwester im Dienst war, so die
Kritik. Todesfälle, die sich ereigneten, als Letby nicht im Dienst
war, seien ausgeklammert worden.
Die Royal Statistical Society veröffentlichte auf ihrer Webseite eine
Handreichung für Juristen, in der sie vor Beweisführung gegen
medizinisches Personal aufgrund von Wahrscheinlichkeiten warnte.
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