«Long Flu»: Schwerwiegende Langzeitfolgen auch nach Grippe möglich

Long Covid ist mittlerweile in aller Munde. Über Langzeitfolgen der
Grippe wird hingegen weniger geredet. Nun haben Forschende die beiden
Phänomene verglichen.

St. Louis (dpa) - Ähnlich wie bei Corona kann auch eine
Grippe-Infektion bei Klinikpatienten schwerwiegende Langzeitfolgen
haben. Darauf weisen US-Forscher im Fachjournal «The Lancet
Infectious Diseases» hin. Sie hatten die gesundheitliche Entwicklung
von Patienten, die wegen Corona oder Grippe ins Krankenhaus
eingewiesen wurden, über einen Zeitraum von 18 Monaten beobachtet und
miteinander verglichen.

Die Gruppe um Ziyad Al-Aly von der Washington University School of
Medicine in St. Louis (Missouri, USA) stellten dabei unter anderem
fest, dass sowohl bei Corona als auch bei der Grippe in der akuten
Phase (bis 30 Tage nach Infektionsbeginn) das Risiko für bestimmte
schwere gesundheitliche Probleme geringer war als in der Zeit danach.
Im Durchschnitt war das Risiko schwerwiegender Langzeitfolgen nach
einer Corona-Infektion höher als nach einer Grippe.

Al-Aly und Kollegen nennen die langwierigen Auswirkungen der Grippe
«Long Flu», wobei «flu» die Kurzform des englischen Begriffs für

Grippe ist. Für die langwierigen Folgen von Covid-19 hat sich auch in
Deutschland der Begriff «Long Covid» eingebürgert.

Nicht im Fokus der Studie stand die Frage, wie häufig Long Covid oder
Long Flu bei Klinikpatienten auftreten.

«Eine wichtige Lektion, die wir von Sars-CoV-2 gelernt haben, ist,
dass eine Infektion, von der ursprünglich angenommen wurde, dass sie
nur eine kurze Krankheit verursacht, auch zu einer chronischen
Krankheit führen kann», wird Al-Aly in einer Uni-Mitteilung zitiert.

Die Forscher wollten wissen, ob und in welchem Ausmaß Menschen mit
Grippe auch langfristige gesundheitliche Probleme haben. Sie
untersuchten die Fälle von 81 280 Patienten, die zwischen 1. März
2020 und 30. Juni 2022 wegen Covid-19 in ein Krankenhaus eingeliefert
wurden. Deren gesundheitliche Entwicklung verglichen sie mit den
Fällen von 10 985 Patienten, die zwischen 1. Oktober 2015 und 28.
Februar 2019 wegen einer Grippe im Krankenhaus behandelt wurden.

In den jeweils betrachteten 18 Monaten hatten Covid-19-Patienten
gegenüber Grippe-Patienten ein um 51 Prozent erhöhtes Risiko zu
sterben (28,46 Fälle gegenüber 19,84 Fällen pro 100 Personen).

Das Gesundheitsrisiko war für Corona-Patienten in neun von zehn
betrachteten Organsystemen höher als für Grippe-Patienten. Lediglich
im Hinblick auf die Lunge hatten Grippe-Patienten ein höheres Risiko
negativer gesundheitlicher Folgen. Die Anzahl verlorener gesunder
Lebensjahre (DALY - disability-adjusted life years) lag in der
Grippe-Gruppe bei 242,66 Jahren pro 100 Personen, in der
Covid-19-Gruppe bei 287,43 Jahren.

«Die Vorstellung, dass Covid-19 oder Grippe nur akute Krankheiten
sind, übersieht ihre größeren langfristigen Auswirkungen auf die
menschliche Gesundheit», betonte Al-Aly. Mediziner müssten sich
stärker bewusst machen, dass Vireninfektionen eine bedeutende Ursache
für chronische Krankheiten sind.

Sowohl bei Covid-19 als auch bei der saisonalen Grippe könnten
Impfungen dazu beitragen, schwere Krankheitsverläufe zu verhindern
und das Risiko von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen zu
verringern, sagte Al-Aly. «Die Optimierung der Impfquote muss für
Regierungen und Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt weiterhin
Priorität haben». Dies gelte besonders für gefährdete
Bevölkerungsgruppen, wie ältere Menschen und Menschen mit
geschwächtem Immunsystem.