Ein Beef Wellington und drei Tote: Giftpilz-Lunch bewegt Australien Von Carola Frentzen, dpa

Giftpilze als Mordinstrument? Oder doch ein schreckliches Versehen?
Diese Fragen geben derzeit in Australien Rätsel auf. Fakt ist, dass
drei Senioren ein Mittagessen bei der Ex-Schwiegertochter nicht
überlebt haben. Die Polizei rechnet mit langwierigen Ermittlungen.

Melbourne/Leongatha (dpa) - Die Geschichte liest sich wie ein Krimi
aus der Feder von Agatha Christie, und sie ist fast genauso
mysteriös: Eine Australierin lädt ihre Ex-Schwiegereltern und ein
weiteres Ehepaar zum Lunch. Auf den Tisch kommt Beef Wellington.
Rinderfilet in knusprigem Blätterteig, verfeinert mit Pilzen. Am Ende
sind drei Gäste tot, der vierte überlebt nur um Haaresbreite. Später

stellt sich heraus, dass in dem vermeintlichen Gaumenschmaus wohl
hochgiftige Knollenblätterpilze lauerten. Experten zufolge ist eine
durch sie verursachte Vergiftung extrem qualvoll und meist tödlich.
Wie die toxische Zutat ins Essen kam, bleibt ein Rätsel. Die Köchin,
die ins Visier der Polizei geraten ist, beteuert ihre Unschuld.

Schon Agatha Christie soll gesagt haben: «Wenn irgendwo Pilze
schmoren, wird der Kriminalist unwillkürlich hellhörig.» Und so wird

Erin Patterson, die das fatale Mittagessen zubereitet hat, von der
Polizei als Verdächtige gehandelt - auch wenn bisher keine Beweise
für eine mögliche Straftat vorliegen, wie der bekannte
Kriminalreporter John Silvester jetzt in der Zeitung «The Age»
schrieb. «Die Ermittler der Mordkommission müssen der Beweislage so
lange folgen, bis sie zu einer Schlussfolgerung kommen, die alle
anderen Szenarien ausschließt», erläuterte er. Und das kann dauern,
wie die Polizei des Bundesstaates Victoria selbst zugab.

Erin Patterson ist auf freiem Fuß, und die Behörden halten sich
bislang bedeckt mit dem Stand ihrer Ermittlungen. Die 48-Jährige hat
beteuert, sie wolle der Polizei bei der Klärung helfen. Über ihre
Anwälte ließ sie den Ermittlern schriftlich ihre Version der
Ereignisse zukommen.

«Ich bin am Boden zerstört, wenn ich daran denke, dass diese Pilze
zur Erkrankung meiner Lieben beigetragen haben könnten. Ich möchte
wiederholen, dass ich absolut keinen Grund hatte, diese Menschen, die
ich liebte, zu verletzen», zitierte die australische ABC im August
exklusiv aus der Erklärung. Zudem habe es sich um die Großeltern
ihrer beiden Kinder gehandelt, die Beziehung sei auch nach der
Trennung von ihrem Ex-Mann Simon eng gewesen.

Aber was ist an jenem verhängnisvollen Tag im beschaulichen Örtchen
Leongatha, zwei Autostunden südöstlich von Melbourne, genau passiert?
Es ist der 29. Juli, als Patterson die Eltern ihres Ex-Mannes sowie
ein älteres Ehepaar zum Mittagessen in ihr Haus einlädt. Bei den
Gästen handelt es sich um Gail und Don Patterson, beide 70 Jahre alt,
sowie um Gails Schwester Heather Wilkinson (66) und ihren Mann Ian
Wilkinson (68). Später erklärt die Köchin, dass sie das Filet
Wellington sowohl mit frischen Champignons aus einem Supermarkt als
auch mit getrockneten Pilzen aus einem Asia-Shop zubereitet habe.

Forensische Tests ergaben nun aber zweifelsfrei, dass es sich
stattdessen um Giftpilze handelte, wie verschiedene Medien in dieser
Woche berichteten - allem Anschein nach um den berüchtigten Grünen
Knollenblätterpilz (Amanita phalloides), auch «Todeskappe» genannt.

Als die Gäste Stunden später ahnungslos nach Hause fahren, breitet
sich das tödliche Toxin bereits in ihrem Körper aus und zielt auf
Leber und Nieren. Die «Daily Mail Australia» zitierte einen Mediziner
mit den Worten, es handele sich um «ein sehr cleveres Gift», weil es
den Körper einer Person auf geradezu katastrophale Weise angreife und
im Wesentlichen «die Leber zum Schmelzen bringt».

Die Webseite «Pilzlexikon.eu» schreibt: «Der Grüne Knollenblätter
pilz
gilt als der Giftpilz schlechthin, denn nicht umsonst gehen über 90
Prozent aller tödlichen Pilzvergiftungen auf sein Konto.» Das
Heimtückische sei, dass die Organe schon irreversibel geschädigt
seien, wenn erste Symptome aufträten. Der Todeskampf ist extrem
schmerzhaft, und ein Gegenmittel ist nicht bekannt. Das Perfide:
Knollenblätterpilze sollen gut schmecken, wie Überlebende berichten.

In der Nacht klagen alle vier Lunch-Gäste über schwere Bauchkrämpfe,

die so schlimm werden, dass sie ins Krankenhaus müssen. Zunächst
denken die Ärzte an eine normale Lebensmittelvergiftung, aber der
Zustand der Patienten verschlechtert sich zusehends. Innerhalb von
einer Woche sind Gail und Don Patterson sowie Heather Wilkinson tot.
Ian Wilkinson kämpft fast zwei Monate lang um sein Leben. Erst vor
wenigen Tagen konnte er das Krankenhaus verlassen.

Die Augen der Öffentlichkeit richten sich sofort auf Erin Patterson.
Denn alle fragen sich: Warum wurde sie nicht krank? Journalisten
positionieren sich vor ihrem Haus. Schließlich tritt sie am 7. August
vor die laufenden Kameras. In Tränen aufgelöst sagt sie, die
Verstorbenen gehörten zu «den besten Menschen, die ich je getroffen
habe». Sie habe keine Ahnung, was passiert sein könnte. Gleichzeitig
bestreitet sie jedes Fehlverhalten: «Ich habe nichts getan, ich liebe
sie und ich bin am Boden zerstört, dass sie weg sind.»

Was viele verwundert: Erst in ihrem Schreiben an die Polizei einige
Tage später macht sie klar, dass sie ebenfalls Symptome gehabt habe.
Am 30. Juli sei sie mit starken Magenschmerzen und Durchfall ins
Krankenhaus gekommen, wo sie eine Infusion und ein «leberschützendes
Medikament» erhalten habe. Laut ABC haben die Gesundheitsbehörden
bestätigt, dass insgesamt fünf Personen mit Vergiftungserscheinungen
behandelt wurden. Dennoch klingen die Spekulationen samt angeblich
immer neuer Wendungen in dem Fall nicht ab.

Während das tödliche Mittagessen die Justizbehörden wohl noch länge
r
beschäftigen wird, sind die Pilzverkäufe im Land deutlich
zurückgegangen, wie Medien Georgia Beattie zitierten, Vorsitzende des
Verbandes der australischen Pilzbauern. Es sei aber unmöglich, dass
Knollenblätterpilze in die Lieferkette eines Supermarktes gelangten:
Sie können laut Beattie auf kommerziellen Champignonfarmen gar nicht
gedeihen, sondern nur in der Natur. Die Giftpilze leben in Symbiose
mit Bäumen, mit denen sie lebensnotwendige Stoffe austauschen. Bis
das Rätsel gelöst ist, bleibt aber ein mulmiges Gefühl.

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