Vor Koalitionsausschuss: Baerbock verlangt Kompromissbereitschaft

Bei mehreren zentralen Themen liegen die Ampel-Partner über Kreuz.
Nach scharfer Kritik von Vizekanzler Habeck ist das Bemühen groß, die
Wogen zu glätten.

Berlin (dpa) - Vor dem Spitzentreffen der Ampel-Koalition hat
Außenministerin Annalena Baerbock angesichts diverser festgefahrener
Auseinandersetzungen Kompromissbereitschaft verlangt. Die Menschen in
Deutschland «erwarten, dass man sich nicht ständig streitet, sondern
dass man die Probleme gemeinsam löst», sagte die Grünen-Politikerin
am Donnerstag bei einem Besuch in Nordmazedonien. Ähnlich hatte sich
zuvor auch SPD-Chef Lars Klingbeil geäußert. «Diese öffentlichen
Auseinandersetzungen müssen jetzt aufhören», sagte er der
«Rheinischen Post» (Donnerstag) und dem ARD-Hauptstadtstudio.

Seit Wochen gibt es in der Koalition teils heftige Debatten über
Themen wie den Autobahnausbau, den Austausch von Öl- und Gasheizungen
und den Etat für das kommende Jahr. Am Sonntagabend kommen die
Spitzen der Ampelparteien im Kanzleramt mit Bundeskanzler Olaf Scholz
(SPD) zusammen. Der Druck danach Ergebnisse zu liefern und zumindest
einige der Streits beizulegen, ist groß.

Doch vor allem in der Finanzpolitik scheinen SPD, Grüne und FDP weit
auseinander zu liegen. «Wir haben kein gemeinsames Grundverständnis
in der Bundesregierung, was die finanzpolitische Realität betrifft»,
sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Deutschen
Presse-Agentur. «Es ist erkennbar, dass einige die FDP und vor allem
Bundesfinanzminister Christian Lindner hier als Spielverderber
sehen.»

Der FDP-Chef hatte die Vorlage seiner Haushaltspläne verschoben, weil
die Fachminister milliardenschwere Ausgabewünsche haben, für die er
keinen Spielraum sieht. Lindner besteht darauf, dass die
Schuldenbremse eingehalten wird und keine Steuern erhöht werden.
Seine Kollegen müssten daher Sparvorschläge machen, hatte er deutlich
gemacht.

Als Finanzminister habe Lindner eine Verantwortung für den
Haushaltskurs, betonte Djir-Sarai. Zu hohe Schulden schwächten die
Handlungsfähigkeit der Regierung. «Die Politik muss offensichtlich
lernen, dass der Staat mit den Mitteln auskommen muss, die er zur
Verfügung hat», sagte der FDP-Generalsekretär.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) betonte vor dem
Koalitionsausschuss die Notwendigkeit, um Lösungen zu ringen. Es
müsse möglich sein, dass in einer Regierung unterschiedliche
politische Positionen artikuliert würden, sagte er im
ZDF-«heute-journal». «Wir brauchen das Ringen um die beste Lösung,

und nicht das Unterordnen besserer Ideen.»

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich zuletzt
unzufrieden über den Zustand der Koalition geäußert und SPD wie FDP
vorgeworfen, Fortschritt zu verhindern.

Die Generalsekretäre von SPD und FDP wiesen die Kritik des
Vizekanzlers am Mittwoch zurück. «Die Wahrnehmung von Herrn Habeck,
die Grünen seien in der Ampelkoalition für den Fortschritt
verantwortlich und die anderen Parteien würden verhindern, entspricht
nicht der Realität», sagte Djir-Sarai dem «Spiegel».
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert attestierte Habeck, aktuell unter
Druck zu stehen. «Aber ich glaube, man sollte mit dem Druck nicht so
umgehen, dass man jetzt einfach in alle Richtungen deswegen koffert»,
sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte am Donnerstag, die
Koalition schaffe trotz allem wichtige Reformen. Die Ampel
modernisiere in allen Bereich das Land, sagte er im RTL/ntv
«Frühstart». «Dass es im Moment ruckelt und Streit gibt, das lenkt

mich nicht davon ab, dass es eigentlich das ist, was es eigentlich
von Anfang an immer war: eine Fortschrittskoalition.» Er sei mit
allen Kabinettskollegen gut in Arbeit und teils befreundet. «Wir
machen große Reformen, der Bundeskanzler hält das gut zusammen»,
sagte Lauterbach.