Ethikratvorsitzende warnt vor Rache und Wut in der Corona-Kritik

Berlin (dpa) - Die Vorsitzende des Ethikrats, Alena Buyx, hält einen
Teil der Kritik an den staatlichen Maßnahmen gegen die
Corona-Pandemie für unredlich. Sie persönlich habe «kein Problem
damit, um Entschuldigung zu bitten dafür, dass wir vom Ethikrat die
Jungen nicht genug in den Fokus genommen haben», sagt Buyx «Zeit
online» in einem Interview. Gleichzeitig beobachte sie ein
unstillbares Bedürfnis, nach Schuldigen zu suchen. Buyx: «Da scheint
es gelegentlich eher um Rachegefühle, um Sühne zu gehen. Eine von
Rache und Wut getriebene Suche nach Schuldigen ist eine gefährlich
einfache, also keine Lösung, die hilft überhaupt nicht weiter.»

Sie zieht eine Bilanz der Pandemiepolitik: «Unsere Gesellschaft hat
ständig über das beste Verhältnis zwischen Freiheit und Gesundheit
diskutiert. Live und in Farbe. Zweieinhalb Jahre lang.» Das habe die
öffentliche Diskussion belastet. Buyx: «Sie ist nachweislich
ruppiger, gereizter und polarisierter geworden.»

Man müsse hinterfragen, analysieren und kritisieren, sagte die
Professorin für Medizinethik, dabei aber redlich bleiben. «Es
verfestigt sich gerade ein wenig das Narrativ, dass die ganze
Corona-Politik problematisch war. Und das stimmt nicht.» Gleichzeitig
habe sie für die meiste Kritik Verständnis, «weil es wirklich
schwierige Entscheidungen waren».

Auf die Frage, ob für diejenigen, die besonders unter der Pandemie
gelitten haben, genug getan wurde, sagte Buyx: «Da gab es Defizite.
Das haben wir auch klipp und klar gesagt.» Ein Beispiel sei die
Isolation Hochaltriger in den Pflegeheimen in den frühen Lockdowns
gewesen. Buyx: «Das waren teils echte Menschenrechtsverletzungen -
und davon hat es nicht viele gegeben in dieser Pandemie.» Ein
weiteres Beispiel seien die Kinder, Jugendlichen und jungen
Erwachsenen, die man nicht genügend in den Fokus genommen habe, die
aber «wahnsinnig belastet» waren, «durch die Maßnahmen und durch di
e
krisenhafte Erfahrung als solche».