Ärztin und Betroffene: Noch viel Eigeninitiative bei Long Covid nötig

Wetzlar (dpa/lhe) - Im Umgang mit dem neuen Krankheitsbild Long Covid
gibt es aus Betroffenensicht trotz Fortschritten noch viel
Aufklärungsbedarf. «Ich glaube schon, dass mittlerweile die
Sensibilität dem Thema gegenüber zugenommen hat», sagte die Wetzlarer

Ärztin Claudia Ellert der Deutschen Presse-Agentur. «Dass die
Aussagen etwas vorsichtiger werden, bevor man Patienten sagt: Du hast
nichts. Aber das ist in der Breite noch nicht durchgedrungen.» Es
gebe auch zunehmend Menschen, die sich mit dem Thema befassen, Zeit
nehmen und fortbilden. «Das ist aber noch viel Eigeninitiative. Was
fehlt, sind Strukturen aus Fachgesellschaften oder Verbänden heraus.»

Ellert ist selbst Betroffene und engagiert sich unter anderem für die
Initiative Long Covid Deutschland. Im November 2020 machte sie eine
Corona-Infektion durch. Danach stellten sich Symptome von Long Covid
ein. Die Medizinerin wurde selbst aktiv, als sie feststellte, dass
Angebote für Patienten fehlten - unter anderem rief sie im
mittelhessischen Wetzlar ein ambulantes Rehabilitationsangebot ins
Leben. Vor kurzem erschien ihr Buch «Long Covid - Wege zu neuer
Stärke. Symptome, Behandlungswege, Hilfe zur Selbsthilfe».

Der Ratgeber sei aus der Situation entstanden, «dass in Deutschland
von offizieller Seite keine Aufklärung zum Krankheitsbild
stattfindet», so Ellert. «Im Prinzip schwimmen alle - Betroffene,
Ärzte und Therapeuten - ein bisschen mit dieser Erkrankung, die noch
keiner gut kennt.» Mit dem Ratgeber solle eine Lücke geschlossen
werden für alle, die mit Long Covid zu tun haben: «Weil es für
Außenstehende wie Patienten ganz schwierig ist, die Beschwerden und
Einschränkungen zu verstehen. Es hat einfach noch niemand mit dem
Krankheitsbild viel Erfahrung gesammelt.»

Aus Sicht der Betroffenen braucht es mehr Aufklärung von öffentlicher
Seite. Ellert: «Man wünscht sich oft - und da sind wir auch gerade
als Initiative Long Covid Deutschland dran -, dass vom Bund eine
Aufklärungskampagne gestartet wird. Einerseits für Betroffene,
andererseits aber für all die, die mit Betroffenen zu tun haben.»

Als Long-Covid bezeichnet man Beschwerden, die später als vier Wochen
nach einer Corona-Infektion noch anhalten oder neu dazugekommen sind.
Einer Schätzung der Frankfurter Post-Covid-Ambulanz zufolge könnten
rund 40 000 Menschen in Hessen so stark an den Folgen einer Infektion
leiden, dass sie medizinische Hilfe suchen.