Kassen wollen Modellprojekt Gesundheitskiosk nicht weiter finanzieren

Für Gesundheitsminister Lauterbach ist der Hamburger Gesundheitskiosk
«Prototyp» für 1000 weitere solcher Einrichtungen, die er bundesweit

in sozialen Brennpunkten schaffen will. Drei Krankenkassen wollen die
Kosten des Modellprojekts nun aber nicht weiter tragen.

Hamburg (dpa) - Die Ersatzkassen Barmer, DAK und Techniker
Krankenkasse streichen dem bundesweit als Modellprojekt dienendem
Gesundheitskiosk in Hamburg die Finanzierung. Die Übernahme der
Kosten für den Betrieb des Kiosks, der Menschen in den sozialen
Brennpunktstadtteilen Billstedt und Horn gesundheitlich berät, werde
über das Jahresende hinaus nicht verlängert, erklärten die Kassen am

Donnerstag. In der Einrichtung würden auch Beratungen angeboten, die
zwar das Thema Gesundheit beträfen, aber nicht in den Aufgabenbereich
der gesetzlichen Krankenversicherungen fielen, hieß es. Zudem stehe
der Betrieb in keinem Verhältnis zu den hohen Aufwendungen der
Kassen.

Auch doppelten sich die Leistungen des Gesundheitskiosks mit vielen
bereits vorhandenen Angeboten des sozialen Hilfesystems, heißt es in
der gemeinsamen Erklärung. «In Hamburg gibt es zum Beispiel die
Lokalen Vernetzungsstellen Prävention, Pflegestützpunkte, Angebote
der einzelnen Krankenkassen sowie die vielfältigen Angebote der
Gesundheitsämter.»

Die AOK, die wie auch die Mobil Krankenkasse an der Finanzierung des
Gesundheitskiosks beteiligt ist, kündigte hingegen an, ihr Engagement
fortsetzen zu wollen. «Wir halten die Idee und den Ansatz der
Gesundheitskioske als niedrigschwellige Beratungsangebote in sozialen
Brennpunkten für sehr sinnvoll», sagte die Vorstandsvorsitzende
Carola Reimann. «Jeder Mensch sollte unabhängig von seinem sozialen
Status die gleichen Gesundheitschancen haben.»

Dem Hamburger Gesundheitskiosk droht nach eigenen Angaben dennoch das
Aus: Ohne die Mittel der drei Ersatzkassen sei ein Weiterbetrieb
nicht möglich, sagte Geschäftsführer Alexander Fischer der Deutschen

Presse-Agentur. Für ihn sei der Schritt der Ersatzkassen völlig
überraschend gekommen. Da Insolvenz drohe, müsse er voraussichtlich
in Kürze Kündigungen aussprechen. Der Kiosk beschäftigt 16
Mitarbeiter. Der Betrieb kostet rund 1 Million Euro pro Jahr.

Die Argumentation der drei Kassen, dass Beratungsleistungen
finanziert würden, die nicht von der gesetzlichen Krankenkasse
finanziert werden können, hält er für vorgeschoben. «Wir machen hie
r
keine Sozialarbeit. Wir haben akademisierte Pflegekräfte, die
gemeinsam mit Ärzten Patienten versorgen.» Vielmehr werde mit dem
Schritt «Gesundheitspolitik auf dem Rücken der Ärmsten» gemacht.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte die Hamburger
Einrichtung erst Ende August besucht und sie als «Prototyp» des von
ihm geplanten Aufbaus von bundesweit 1000 Gesundheitskiosken in
sozial benachteiligten Regionen bezeichnet. Die Kosten sollen seinem
Eckpunktepapier zufolge zu 74,5 Prozent die gesetzliche
Krankenversicherung, zu 5,5 Prozent die privaten Krankenkassen und zu
20 Prozent die Kommunen übernehmen. Die Kassen sahen dies kritisch.

Auch im Hamburger Fall verweisen die drei Krankenkassen darauf, dass
«angesichts der sehr prekären Finanzentwicklung der GKV ab dem
kommenden Jahr derart teure und mitunter redundante Leistungsangebote
nicht realisierbar» seien. «Es ist sinnvoller, bestehende Strukturen
für unsere Versicherten besser zu vernetzen und Doppelstrukturen zu
vermeiden.»

Der Virchowbund der niedergelassenen Ärzte in Deutschland,
Mitinitiator und Gesellschafter des Hamburger Gesundheitskiosks,
machte den Bundesgesundheitsminister mit seinen «unausgegorenen
Eckpunkten» für den Ausstieg der Ersatzkassen verantwortlich.
«Lauterbach zerstört mit seiner erratischen und inkonsistenten
Politik die gute Versorgung ausgerechnet in sozialen Brennpunkten»,
sagte Virchowbund-Vorsitzender Dirk Heinrich.