Psychosoziales Zentrum betreut mehr als 400 Geflüchtete

Die Praxen sind voll, die Sprache ist eine zusätzliche Hürde und die
Finanzierung der Behandlung ist auch kompliziert. Psychisch erkrankte
Geflüchtete haben es schwer im Regelsystem. Ein Projekt versucht sie
aufzufangen.

Magdeburg (dpa/sa) - Sie sind aus ihrer Heimat geflüchtet,
traumatisiert oder anderweitig psychisch und körperlich erkrankt: Das
Psychosoziale Zentrum für Migrantinnen und Migranten in
Sachsen-Anhalt hat im vergangenen Jahr in Halle und Magdeburg
insgesamt 405 Menschen aus 37 Ländern psychosozial begleitet. Ein
Viertel der Menschen sei aus Afghanistan geflüchtet, erklärte
Projektleiterin Magdalene Schlenker. Weitere Hauptregionen seien
Syrien, Iran, westafrikanische Staaten, Irak, Russland und
Tschetschenien gewesen. In diesem Jahr kämen bislang ein Sechstel der
Klientinnen und Klienten aus der Ukraine.

Der Bedarf an Behandlungen sei bei den Menschen mit Gewalterfahrungen
in der Pandemiezeit weiter gestiegen, wie es auch unter der
deutschsprachigen Bevölkerung der Fall gewesen sei, sagte Schlenker.
Als die Menschen aus der Ukraine hinzugekommen seien, habe sich die
Versorgungssituation erneut verschlechtert.

Die Projektleiterin des Psychosozialen Zentrums für Migrantinnen und
Migranten in Sachsen-Anhalt wies auf strukturelle Probleme hin. Die
Kostenübernahme für die Behandlung und die Sprachmittlung sei nach
wie vor unsicher und zu aufwendig geregelt. Für die ohnehin vollen
Praxen sei es meist nicht möglich, Geflüchtete aufzunehmen. «Selbst
in akuten Notfällen sind viele Kliniken noch immer nicht mit der auch
dabei dringend notwendigen Sprachmittlung ausgestattet.»

Gelinge trotzdem eine Aufnahme, seien Nachbehandlung und die nötigen
Medikamente ein häufiges Problem. Viele psychiatrische Praxen in
Sachsen-Anhalt seien noch nicht für die Behandlung geflüchteter
Menschen offen. Selbst für anerkannte Geflüchtete oder solche mit
einer Aufenthaltserlaubnis übernähmen die Krankenkassen die
Sprachmittlungskosten nicht. «Dies erschwert den Zugang ins
Gesundheitssystem sehr.» Hinzu komme, dass ein Behandlungsgespräch
mit Übersetzung viel länger dauere.

Das Psychosoziale Zentrum (PSZ) ist seit 16 Jahren die einzige
spezialisierte Institution in Sachsen-Anhalt. Finanziert wird sie
durch verschiedene Projektförderungen der EU, des Landes, aber unter
anderem auch der Diakonie Deutschland, der Uno-Flüchtlingshilfe,
Amnesty International und der Stiftung Kinderförderung von Playmobil
und Terres des Hommes. Sie sorgten dafür, dass für die psychologische
Beratung und Psychotherapie im vergangenen Jahr 8,3 Planstellen zur
Verfügung standen und für die angegliederte Sozialberatung und
-begleitung 3,7 Stellen. In Halle und Magdeburg sind laut Schlenker
zusätzlich etwa 30 Sprachmittler im Einsatz.

«Die Landesregierung hat die Absicherung des PSZ bereits im
Koalitionsvertrag und auch im Landesintegrationskonzept verankert»,
sagte Schlenker weiter. «Wir wünschen uns hierfür eine mehrjährige

und projektunabhängige, sogenannte institutionelle Förderung.»
Sprachmittlungskosten sollten bei psychischen Erkrankungen regulär
übernommen werden. Und: «Um den für alle zu langen Wartezeiten in
psychotherapeutischen und psychiatrischen Praxen begegnen zu können,
wären mehr Kassensitze sinnvoll. Auch psychische Erkrankungen werden
bei Nichtbehandlung schlimmer», betonte die Projektleiterin.