Stiko-Mitglied: Auffrischimpfung bevorzugt mit angepassten Präparaten

Mehrere fortentwickelte Corona-Impfstoffe sind seit kurzem in der EU
zugelassen. Ein Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko) hat
sich nun erstmals zu den Empfehlungsplänen des Gremiums geäußert.

Berlin (dpa) - Für Booster-Impfungen will die Ständige Impfkommission
(Stiko) laut Gremiumsmitglied Christian Bogdan vorzugsweise den
Einsatz der neuen, an Omikron angepassten Präparate empfehlen. An den
bisherigen Kriterien für die Gabe von ersten und zweiten
Auffrischimpfungen soll sich zunächst nichts ändern, wie der
Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Erlangen ankündigte. Das
bedeutet, dass zum Beispiel Viertimpfungen nach Auffassung des
Gremiums weiterhin nur für bestimmte Gruppen als nötig erachtet
werden, wie etwa Menschen ab 60 Jahren und Bewohner von Pflegeheimen.

Noch im Laufe des (heutigen) Dienstags sollte eine offizielle
Mitteilung zum Entwurf der Impfempfehlung erscheinen, wie das
Informations-Netzwerk Science Media Center (SMC) ankündigte. Es wird
sich somit noch nicht um eine finale Stiko-Empfehlung handeln.
Änderungen sind noch möglich. Bundesgesundheitsminister Karl
Lauterbach (SPD) wertete das Stiko-Votum bei Twitter als einen
wichtigen Beitrag zur Überwindung der Pandemie. Viele ältere Menschen
etwa seien gegen Omikron-Varianten noch nicht genug geschützt. «Für
sie kann die Impfung schwere Verläufe und LongCovid vermeiden.»

In den vergangenen Wochen sind in der Europäischen Union mehrere
fortentwickelte Corona-Impfstoffe zugelassen worden. Sie tragen der
seit Monaten vorherrschenden Omikron-Variante Rechnung. Möglich ist
der Einsatz bei Menschen ab 12 Jahren als Auffrischimpfung. Es geht
um an die Sublinie BA.1 angepasste Präparate sowie um einen noch
etwas neueren BA.4/BA.5-Impfstoff. Neben Omikron wird mit den neuen
Vakzinen auch noch das ursprüngliche Coronavirus berücksichtigt.
Ziele sind eine bessere Immunantwort gegen Omikron und eine
Auffrischung in Bezug auf den sogenannten Wildtyp.

Die Stiko nehme in ihrem Beschluss keine Unterscheidung zwischen den
BA.1-Impfstoffen und dem neueren BA.4/BA.5-Präparat vor, sagte
Bogdan. Schwierig für das Expertengremium war demnach die relativ
dünne Datenlage. Insbesondere betrifft dies das neuere
BA.4/BA.5-Präparat - die Stiko sei «nicht besonders glücklich», das
s
hierzu noch keine Daten aus Studien an Menschen vorliegen, sagte
Bogdan. Für die Zulassung stützten sich Behörden im Kern auf Daten
aus Versuchen an Mäusen, aber etwa auch auf Erkenntnisse zu den
Vorläuferimpfstoffen. Fachleute sprechen beim BA.1-Impfstoff im
Vergleich zu BA.4/BA.5 von der besseren Datenlage, hierzu gebe es
Erkenntnisse aus Untersuchungen am Menschen.

Verschiedene Puzzlesteinchen hätten verknüpft und Analogieschlüsse
gezogen werden müssen, bemängelte auch Stiko-Mitglied Jörg Meerpohl,

Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin vom Uniklinikum
Freiburg. Aber man müsse mit dem leben, was man habe. Bogdan betonte,
dass angesichts der umfangreichen Erfahrung mit den bisherigen
Covid-19-Impfstoffen nicht zu erwarten sei, dass man in ein Problem
hineinlaufen werde.

Aus Deutschland eliminieren lasse sich das Virus auch mit den
angepassten Impfstoffen nicht, sagte Bogdan. Das Impfziel sei,
schwere Erkrankungen, Krankenhausbehandlungen und Tod infolge von
Corona-Infektionen zu verhindern. Es gehe hingegen nicht darum,
Inzidenzen niedrig zu halten oder harmlosere Infektionen zu
verhindern. Mittlerweile sei eine Situation erreicht, in der «eine
sehr gute Basisimmunität in der Bevölkerung» existiere.

Immungesunde Menschen unter 60 mit den empfohlenen drei Impfungen
bräuchten erst einmal keine Viertimpfung, sagte Bogdan. Auch eine
durchgemachte Infektion sei hierbei wie eine Impfung zu bewerten.

Der Rat von Fachleuten lautet, im Fall einer fälligen Auffrischung
verfügbare Präparate zu nutzen und den Schritt nicht in Hinblick auf

einen vermeintlich besseren, neueren Impfstoff aufzuschieben. Sonst
laufe man Gefahr, in der Zwischenzeit zu erkranken. Trotz der
geplanten Empfehlung können auch die bisherigen Covid-19-Impfstoffe
weiter benutzt werden. Bogdan betonte, alle vorhandenen Impfstoffe
schützten sehr gut vor schweren Krankheitsverläufen. Mit den neuen
Präparaten gehe es darum, sich für eventuell künftig auftretende
weitere Sublinien von Omikron aufzustellen.

Die Effektivität der angepassten Impfstoffe wird auch davon abhängen,
welche Varianten in den kommenden Wochen und Monaten vorherrschen.
Dies lässt sich bisher nicht absehen. Derzeit verursachen BA.4 und
BA.5 nach Daten aus einer Stichprobe den allergrößten Teil der
Infektionen bundesweit, wohingegen BA.1 schon länger keine Rolle mehr
spielt.