Der Erfolg von Fake News - warum Menschen ihnen so oft glauben Von Daniel Josling, dpa

Pandemie, Krieg oder Wahlen: Jeden Tag erscheinen weltweit Millionen
neuer Videos, Artikel oder Posts im Netz und in Chatgruppen, darunter
auch viele Falschinformationen. Aus welchen Gründen fallen Menschen
darauf herein?

Berlin (dpa) - Es ist eine Behauptung, die seit den vergangenen
Bundestagswahlen durch soziale Netzwerken und private
Messenger-Dienste geistert und auch aktuell noch geteilt wird:
Angeblich wolle die damalige Kanzlerkandidatin und heutige
Außenministerin Annalena Baerbock den Deutschen ihre Haustiere
verbieten. Sie erwäge etwa eine CO2-Steuer auf Hund und Katze, um
Emissionen zu reduzieren.

Das ist Humbug - oder sachlicher: Fake News, also eine bewusst
irreführende Behauptung, die gezielt verbreitet wird, um die
Grünen-Politikerin zu diskreditieren. In einem kürzlich erschienenen
Report des Thinktank Club of Rome bezeichnen die Autorinnen und
Autoren die «kollektive Unfähigkeit, zwischen Fakten und Fiktion zu
unterscheiden», als «bedeutendste Herausforderung unserer Tage».

In demokratischen Gesellschaften seien Fehl- und Falschinformationen
zumindest bis zu einem gewissen Grad durch die Massenmedien
eingedämmt worden, heißt es in dem Bericht «Earth for All». «Die

sozialen Medien aber haben dieses Modell zertrümmert. Sie haben eine
ganze Industrie der Falsch- und Desinformationen entstehen lassen,
was der Polarisierung von Gesellschaften und einem Vertrauensverlust
Vorschub leistet und dazu beiträgt, dass wir angesichts der
kollektiven Herausforderungen unfähig sind, zusammenzuarbeiten oder
uns auch nur über Grundtatsachen zu verständigen.»

Doch warum sind Fake News so erfolgreich? «Der Grund, wieso Menschen
Falschinformationen glauben, ist: weil sie ihnen gerne glauben
wollen», sagt der Politik- und Datenwissenschaftler Josef Holnburger.
«Weil sie dadurch einen Schuldigen präsentiert bekommen, oder weil
ihre eigene politische Position ihrer Meinung nach die richtige ist.»
Dies gehe sogar so weit, dass einige Desinformation häufig sogar dann
teilen, wenn diese bereits widerlegt wurde.

Eine solche Desinformation wird von etlichen Nutzerinnen und Nutzern
im Netz sofort aufgriffen und diskutiert. Im digitalen Zeitalter, in
dem jeder und jede Gehör finden kann, haben es gesicherte Fakten
dagegen wesentlich schwerer, durchzudringen. Grund hierfür seien
unter anderem Empörung und Wut, sagt Holnburger. «Nachrichten, die
wütend machen, bringen Menschen eher dazu, sie weiterzuleiten oder
auf Social Media zu posten.»

Menschen wollen etwas gegen die behaupteten Missstände unternehmen
und teilen derartige Nachrichten daher eher. Gesicherte Fakten oder
Aufklärung über Desinformation - sogenannte Faktenchecks - hingegen
erreichen deutlich weniger Menschen, weil sie nur selten jemanden
empören oder aktivieren. So einige psychologische und algorithmische
Effekte böten eine Art Heimvorteil für Desinformation, sagt
Holnburger.

Der Tech-Blogger Ben Thompson beschrieb das Phänomen vor einigen
Jahren so: «Die Macht hat sich von der Angebots- auf die
Nachfrageseite verlagert.» In anderen Worten: Ob eine Botschaft viele
Leute erreicht, hängt nicht mehr davon ab, wer sie verbreitet,
sondern wie viele Leute sie hören und weiterleiten wollen.

Eine These, die der Medienkulturwissenschaftler Martin Doll
bekräftigt: «Die technischen Mechanismen von Social-Media-Plattformen
zeichnen sich dadurch aus, die Posts zu bevorzugen, die am meisten
Reaktionen provozieren.» Dies sorge für eine Verstärkung des
Nachrichteneffekts - eben und gerade auch bei Falschinformationen.

Meist stecken Experten zufolge politische oder wirtschaftliche
Absichten dahinter. Aktuelles Beispiel: Fakes über den Krieg in der
Ukraine. «Hier ist der hauptsächliche Motivationshintergrund oft eine
Destabilisierung - also Chaos, Misstrauen und Ähnliches zu streuen»,
sagt Holnburger. Manche der verbreiteten Thesen widersprächen sich
sogar. «Beispielsweise haben wir gerade in der Anfangszeit des
Krieges immer wieder die Desinformation gesehen, dass Russland gar
nicht in die Ukraine einmarschiert sei. Gleichzeitig hieß es aber
auch, dass Russland guten Grund gehabt habe, einzumarschieren.»

Sinn und Zweck auch widersprüchlicher Fake News ist es, Nutzer mit so
viel Falschem zu überschütten, dass Wahrheit und Fakten daneben fast
verschwinden. «Man hat schließlich so viele alternative Hypothesen,
dass man anfängt, sie zu glauben», so Holnburger. Zudem solle die
Verlässlichkeit etablierter Medien untergraben werden.

Einer Erhebung der Vodafone-Stiftung aus dem Sommer 2021 zufolge sind
vor allem Menschen der Generation 50 plus diejenigen, die häufig
Desinformation sehen und teilen. Fragt man sie danach, wie oft sie
Fake News begegnen, können sie das demnach oft nicht beantworten.
Unter anderem, weil sie das Gelesene und Gesehene nicht als Lüge
wahrnehmen, sondern als Information.

Deshalb ist es Fachleuten zufolge wichtig, dass vor allem das private
Umfeld - Freunde, Bekannte oder Arbeitskollegen - in solchen Fällen
widerspricht. «Oftmals glauben von Desinformation betroffene
Menschen, dass ihnen eine schweigende Mehrheit zustimmt, oder dass
das alle so glauben würden», erklärt Holnburger. Dieses Weltbild
müsse ins Wanken gebracht werden. «Das persönliche Umfeld hat im
Vergleich zu großen medialen Aufklärungskampagnen noch am ehesten
Zugang.» In diesem Zusammenhang hat dann auch die Arbeit von
Faktencheckern einen Nutzen. «Das sind genau die Plattformen, die
deren Umfeld auf Falschinformationen hinweist.»