Kartenkäufer trotzen Corona: Bundesliga steht vor ungewissem Herbst Von Jordan Raza und Felix Schröder, dpa

Fußball wie in Zeiten vor der Pandemie! Am 5. August startet die neue
Bundesliga-Saison ohne Corona-Beschränkungen. Viele Clubs geben ein
erstes Dauerkarten-Update. Fans stehen vor einer unklaren
Infektionslage im Herbst. Experten geben leichte Entwarnung.

München (dpa) - Volle Fußballstadien, keine Maskenpflicht und
Corona-Tests sind nicht nötig: Erstmals seit 2019 gehen die
Bundesliga-Clubs ohne Beschränkungen in die neue Spielzeit. Der
Verkauf von Dauerkarten läuft auf Hochtouren. Das Saisonende zeigte
aber auch: Selbst bei erlaubter Vollauslastung blieben viele Plätze
frei. Während Studien auf ein gesunkenes Fan-Interesse hinweisen,
deuten Dauerkarten-Verkaufszahlen auf volle Fußball-Stadien hin.

Am 5. August startet die neue Bundesliga-Saison. Vor allem im
Ruhrpott steigt die Vorfreude auf packende Duelle zwischen dem FC
Schalke 04 und Borussia Dortmund. Der Mitglieder-Riese aus
Gelsenkirchen verkündete Mitte Juni, alle 40 000 Dauerkarten verkauft
zu haben. Auch der BVB stoppte den Vorverkauf wenig später. «Unsere
55 000 Dauerkarten waren binnen weniger Minuten ausverkauft -
entgegen aller Prophezeiungen aus der Corona-Krise», sagte BVB-Chef
Hans-Joachim Watzke zuletzt der «Bild am Sonntag».

Ehrenpräsident Uli Hoeneß vom FC Bayern München berichtete auf dem
Zukunftskongress «Neuland» in Aachen von seiner Angst vor leeren
Stadien nach der Pandemie: «Aber nein, das Gegenteil ist der Fall.
Die Zuschauer kommen wie verrückt. Und die Stimmung ist besser als
vorher, weil die Menschen sich austoben wollen.»

Beim VfB Stuttgart sind bereits über 27 000 Dauerkarten weg. In
Wolfsburg gingen Karten «im guten fünfstelligen Bereich» unter die
Leute, wie «Bild» berichtete. Borussia Mönchengladbach hat die selbst

gesetzte Höchstmarke von 30 000 zum elften Mal in Folge erreicht. Die
bestehende Nachfrage habe erneut das Angebot deutlich überstiegen,
teilte ein Vereinssprecher auf dpa-Anfrage mit. Der Club sei
zuversichtlich, nächste Saison eine Auslastung zu erreichen, die an
die Vor-Corona-Saison 2018/19 heranreiche.

Eine Studie zum Fußball-Interesse der Deutschen zeichnet ein
negativeres Bild. Bei einer Umfrage der Votingapp FanQ in
Zusammenarbeit mit dem Verein FC PlayFair! unter mehr als 6200
Fußballfans gaben rund 70 Prozent an, ihr Bundesliga-Interesse habe
in der abgelaufenen Saison «eher abgenommen» beziehungsweise «stark
abgenommen». Die generelle Attraktivität der Liga im Vergleich zu den
Vorjahren wurde von gut der Hälfte der Befragten als «schlechter»
oder «viel schlechter» eingestuft.

Die Ergebnisse überraschen Fan-Vertreterin Helen Breit nicht, auch
wenn die Vorsitzende der Organisation «Unsere Kurve» das vermeintlich
schwindende Fan-Interesse anders begründet. «Es gab in der jüngeren
Vergangenheit eine Art Übersättigung», sagte Breit der dpa und
spielte auf die Masse an Fußballereignissen im TV an. «Das in
Kombination mit der Kritik am Profifußball wegen der hohen Gehälter
und Kommerzialisierung finden viele Fans abstoßend.» Breit nehme
nicht wahr, dass Fans auf den Kauf von Dauerkarten verzichteten, auch
nicht aus Angst vor Corona-Beschränkungen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte zuletzt, dass
die angekündigte Sommerwelle längst da sei. Dennoch halten Experten
die Vollauslastung im Fußball für vertretbar. «Wenn man sich auf
volle Arenen einlässt, sind Massenansteckungen zwar vorbestimmt»,
sagte der Professor für Mikrobiologie, Virologie und Hygiene, Andreas
Podbielski, von der Uni Rostock. Und die Sars-CoV2-Varianten seien
wohl auch ansteckender als viele Atemwegserreger. «Aber die
gesundheitlichen Auswirkungen unterscheiden sind nicht mehr zu etwa
denen der Influenza», sagte Podbielski, «und dann stellt sich die
Frage, warum wir Sars-CoV2 noch besonders herausheben müssen.»

Christian Bogdan, Infektionsimmunologe vom Uniklinikum Erlangen, hält
Prognosen für das Infektionsszenario über die nächsten Monate hinaus

für verfrüht, sagt aber auch: «Nur weil im Herbst eventuell neue
Einschränkungen infolge der Coronavirus-Pandemie drohen, kann nicht
die Lösung ausgeben werden, keine Dauerkarten zu verkaufen.»

Die Deutschen insgesamt sieht er nach etwa zweieinhalb Jahren
Pandemie gut gewappnet. «Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass
eine katastrophale SARS-CoV-2-Welle im kommenden Winter eher
unwahrscheinlich ist.» Bogdan begründet dies mit denjenigen, die eine
Corona-Infektion durchgemacht haben («28 Millionen plus
Dunkelziffer») und mit der Zahl der Menschen in Deutschland mit einer
mindestens zweimaligen Impfung (76 Prozent).

Stand jetzt planen die Vereine ohne Einschränkungen. Mit neuen Ideen
versuchen die Clubs, Fans ins Stadion zu locken. Der VfL Bochum
bietet erstmals eine Auswärtsdauerkarte an. Wolfsburg warb mit einem
Probesitzen. Ob das wirkt oder Fußball-Fans tatsächlich corona-müde
sind, wird sich in wenigen Wochen zeigen. Bis dahin läuft der
Dauerkartenverkauf vielerorts weiter auf Hochtouren.

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