Die Pandemie macht keine Pause - Krankenstand wird zur Belastung

Während die Corona-Infektionszahlen in Mecklenburg-Vorpommern wieder
steigen, klagen Unternehmen bereits über hohe Krankenstände.
Bioinformatiker Lars Kaderali sieht im Herbst die Gefahr weiterer
Belastungen.

Schwerin (dpa/mv) - Der hohe Krankenstand im Land in Folge der
Corona-Pandemie wird zusehends zum Problem. Während Unternehmen
bereits klagen, könnte eine steigende Zahl an Krankmeldungen im
Herbst laut dem Bioinformatiker Lars Kaderali auch Folgen für die
kritische Infrastruktur haben. «Was ich mir aber schon vorstellen
kann, ist, dass wir noch mal eine starke Welle kriegen», sagte das
Mitglied des Corona-Expertenrates der Bundesregierung der Deutschen
Presse-Agentur.

Zur kritischen Infrastruktur zählen etwa Polizei, Feuerwehr, Kliniken
oder Wasserwerke und Energieversorger. Für weniger wahrscheinlich
halte er, dass die Intensivstationen erneut an ihre Belastungsgrenzen
stoßen. «Auch das ist nicht auszuschließen, aber die
Wahrscheinlichkeit ist geringer.»

Aus Sicht des Unternehmerverbands in Mecklenburg-Vorpommern zeichnet
sich die Entwicklung bereits ab: «Die Betriebe beschäftigt nicht
allein der Ausfall von Beschäftigten durch die eigene Erkrankung. Es
nehmen die Fälle zu, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
aufgrund einer Corona-Infektion des Kindes zu Hause bleiben müssen»,
sagte Sven Müller, Geschäftsführer des Unternehmens-Dachverbandes
VUMV. Besonders bei kleineren Betrieben sei die Personal- und
Arbeitsplanung deshalb weiter schwierig.

Der von den Gesundheitsbehörden gemeldete starke Rückgang der
Corona-Neuinfektion seit Ende März führte demnach nicht zu einer
entsprechenden Entlastung in den Unternehmen: Das Landesamt für
Gesundheit und Soziales registrierte einen Rückgang der
Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnerinnen
und Einwohner von 2367 auf 151 zwischen Ende März und Anfang Juni.
Seit diesem Tiefpunkt sind die Corona-Zahlen wieder angestiegen und
liegen aktuell bei 522 (Stand Freitag).

Dass Infektionszahlen und Krankenstand nicht zwingend im
Gleichschritt verlaufen, legen die registrierten
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) der gesetzlichen
Krankenkassen AOK, Techniker und Barmer zwischen Ende März und Anfang
Juni nahe: Zwar fiel der Höchststand der Krankmeldungen bei AOK und
Barmer mit dem Höhepunkt der Corona-Welle zusammen, danach
entkoppelte sich die Entwicklung jedoch.

Während bei der Barmer ein deutlicher Rückgang der Krankschreibungen
beobachtet wurde, fällt dieser unter den AOK-Versicherten deutlich
geringer aus. Die Techniker Krankenkasse beobachtete insgesamt einen
geringen Einfluss der Pandemie auf ihre Zahlen. Laut dem Verband der
Ersatzkassen vdek hat die AOK im Nordosten über 400 000 Versicherte,
die Techniker laut eigenen Angaben rund 200 000 und die Barmer gibt
diese Zahl mit ungefähr 268 000 an.

Der Unternehmerverband forderte mit Blick auf den Herbst indes
bereits mehr Einsatz von der Politik. «Die Bundesregierung ist
gefordert, gemeinsam mit den Bundesländern frühzeitig alle
notwendigen Maßnahmen zu ergreifen», so Müller. Die Pandemie sei noch

nicht vorbei.

Kaderali sieht das ähnlich: Bei der Überarbeitung des
Infektionsschutzgesetzes wünsche er sich von der Bundesregierung «ein
bisschen mehr Tempo». Die Sommerpause stehe bevor. Danach werde man
«sehr knapp wieder im September anfangen, am Infektionsschutzgesetz
rumzubasteln, wenn vielleicht schon die nächste Welle losläuft». Die

aktuellen Corona-Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz laufen am 23.
September aus.

Auch die Kliniken im Land blicken besorgt auf den nahenden Herbst,
jedoch noch aus einem ganz anderen Grund. Im Zuge der vor allem bis
Ende März hohen Corona-Infektionszahlen im Land und der hierdurch
entstandenen Belastung für die Kliniken habe das Personal kaum Urlaub
genommen, erklärte Uwe Borchmann, Geschäftsführer der
Krankenhausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern. Dieser Bauch an
Überschusstagen sei nun bis Jahresende schwerlich abzubauen und führe
zu einem Engpass.

Derzeit wollten - wie auch sonst üblich - viele Beschäftigte
freinehmen, mit Blick auf die Besetzung der Stationen sei dies nicht
immer möglich, so die Krankenhausgesellschaft. Der weiterhin
ungewohnt hohe Krankenstand verschärft die Situation zusätzlich,
wobei laut Borchmann die Zahl der Corona-Erkrankungen unter dem
medizinischen und pflegerischen Personal - im Vergleich zu anderen
Berufsgruppen - auf einem vergleichbaren Niveau liegt.

Ein hoher Krankenstand, viele offene Urlaubstage und eine erneut
steigende Zahl an Corona-Infektionen im Herbst könnten sich für die
Kliniken also zu einer schwierigen Gemengelage zuspitzen.