WHO: Deutschland muss bei G7-Gipfel moralisch Druck machen

Genf (dpa) - Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verlangt von der
Bundesregierung beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern
moralischen Druck auf die Vertreter der anderen Industriestaaten. Es
geht um die Finanzierung der Corona-Impf- und Versorgungsprogramme in
aller Welt. Deutschland ist der mit Abstand größte Zahler.

«Die Bundesregierung muss den anderen klar sagen: wir haben unseren
fairen Anteil bezahlt, tut ihr es auch», sagte Bruce Aylward, im
Führungsteam der WHO zuständig für die Corona-Koordination, der
Deutschen Presse-Agentur. Die, die ihren Anteil nicht zahlten, seien
Trittbrettfahrer. Weil die Bundesregierung neben Kanada das einzige
Land sei, das seinen fairen Anteil gezahlt habe, dürfe sie sich nicht
scheuen, aus einer Position moralischer Autorität zu sprechen.
Aylward lobte, dass die weltweite Pandemiebekämpfung für Deutschland
trotz Ukraine-Krise weiter Priorität habe.

Aylward koordiniert für die WHO das Programm ACT Accelerator, das
unter anderem Corona-Impfstoffe, Diagnostika und Tests an ärmere
Staaten liefert. Im laufenden Jahresbudget bis September 2022 in Höhe
von knapp 17 Milliarden Dollar (gut 16 Mrd Euro) fehlen noch zwölf
Milliarden Dollar. Deutschland hat nach WHO-Angaben mit knapp 1,3
Milliarden Dollar mehr als seinen fairen Anteil gezahlt, Frankreich
liegt bei einem Drittel, die USA bei neun Prozent. Den fairen Anteil
hat die WHO unter anderem nach Wirtschaftsleistung sowie Anteil am
Welthandel berechnet.

Impfkampagnen und die Verteilung von Covid-19-Medikamenten in ärmeren
Ländern zu finanzieren, sei im Interesse der Industrieländer, betonte
Aylward. Wenn die Pandemie in aufstrebenden Ländern ungebremst
weitergehe, schwäche das auch Absatzmärkte. Zudem habe eine schwache
Wirtschaft dort Auswirkungen auf die Lieferketten. Und: «Wenn wir
weitere Infektionswellen bekommen, kann das zu Unruhen führen»,
warnte Aylward. «Wenn Milliarden Menschen nicht gegen das Coronavirus
geimpft sind, kann sich jederzeit eine neue Virusvariante bilden.»

Die Welt müsse die relative Corona-Entspannung in den Ländern mit
hohen Impfraten nutzen, um das Virus auch weltweit so weit wie
möglich einzudämmen, sagte Aylward. «In einem Krieg sammeln sich die

Truppen in einer Kampfpause neu und verstärken ihre Verteidigung -
aber wir machen das Gegenteil und ziehen uns zurück. Statt die
Situation zu nutzen, stecken wir den Kopf in den Sand.»