Bürgertests kosten künftig oft drei Euro - Corona-Sommerwelle rollt Von Sascha Meyer und Josefine Kaukemüller, dpa

Vor dem Konzert kurz zum Schnelltest - umsonst im Testzentrum um die
Ecke. Für viele ist das ein einfaches Mittel für mehr Sicherheit in
Corona-Zeiten. Der Bund schränkt das kostspielige Angebot jetzt ein.

Berlin (dpa) - Millionenfach genutzte Corona-Bürgertests sind in
Teststellen und Apotheken bald nicht mehr für alle gratis zu haben.
Kostenlos bleiben die Schnelltests nur für bestimmte Risikogruppen -
in der Regel werden ab kommendem Donnerstag aber je drei Euro aus
eigener Tasche fällig. Das teilte Gesundheitsminister Karl Lauterbach
(SPD) nach einer Einigung mit Finanzminister Christian Lindner (FDP)
am Freitag mit. Der Bund will damit Milliardenkosten senken und das
Testnetz erhalten. Die Neuregelung bringt die Länder unter Druck, die
drei Euro der Bürger zu übernehmen. Angesichts der nun dominierenden
Untervariante BA.5 mit leichterer Übertragbarkeit zeichnet sich aus
Expertensicht eine angespanntere Corona-Lage ab.

Ende der Gratis-Tests für alle

Lauterbach sagte: «Ich will keinen Hehl daraus machen. Ich hätte die
kostenlosen Bürgertests für alle gerne weitergeführt.» Sie kosteten

im Schnitt aber derzeit eine Milliarde Euro im Monat. Lindner sagte,
der Steuergeldeinsatz werde nun effektiver. «Es kann nicht alles auf
Dauer vom Bund gezahlt werden, weil unsere Möglichkeiten an Grenzen
gekommen sind.» Das neue Konzept sieht nach Lauterbachs Angaben bis
Jahresende noch Ausgaben von 2,7 Milliarden Euro vor. Bei weiterhin
voller Kostenübernahme wären es bis zu 5 Milliarden Euro gewesen.

Lauterbach sprach insgesamt von einer «guten Lösung». Die Bürgertes
ts
gingen nach Auslaufen der bisherigen Verordnung Ende Juni lückenlos
weiter, was strittig gewesen sei. Die Tests würden gezielter dort
eingesetzt, wo sie den größten Nutzen hätten. Bisher hatte jeder auch

ohne Symptome oder konkreten Anlass Anspruch auf mindestens einen
Schnelltest pro Woche in Teststellen mit geschultem Personal samt
Bescheinigung. Die Gratis-Tests für alle waren im Herbst schon einmal
vorübergehend eingeschränkt und dann wieder breit eingeführt worden.


Kostenlose Tests und Drei-Euro-Tests

Gratis-Schnelltests sollen weiter für vulnerable Gruppen möglich
sein. Dies sind laut Ministerium Kinder bis fünf Jahre, Frauen zu
Beginn der Schwangerschaft, Besucher von Kliniken und Pflegeheimen,
Haushaltsangehörige von Infizierten, Bewohner von Einrichtungen für
Menschen mit Behinderungen sowie Menschen, die sich nicht impfen
lassen können. Vorgesehen sein soll, jeweils Nachweise vorzulegen,
dass man zum Gratis-Test berechtigt ist - etwa per Ausweis oder Pass,
mit Bescheinigungen, Vordrucken oder Attesten.

Mit drei Euro Zuzahlung sollen Tests in weiteren Fällen zu haben
sein. Zum Beispiel vor Veranstaltungsbesuchen in Innenräumen oder
Besuchen bei älteren Menschen, nach Risikokontakten bei einer Warnung
auf der Corona-App. Auch für diese bezuschussten Tests soll man sich
in der Teststelle in eine Liste eintragen und den Anlass angeben.

Die Bezahlung - und Länder unter Zugzwang

Bürgerinnen und Bürger können die drei Euro in der Teststelle oder
Apotheke ganz normal bar oder per Karte bezahlen. Für die Anbieter
soll der «Erstattungspreis» von 11,50 Euro auf 9,50 Euro gesenkt
werden: Zu den drei Euro kommen noch 6,50 Euro vom Bund. Die Länder
hätten die Möglichkeit, den Anteil der Bürger an den Tests zu
übernehmen, sagte Lauterbach. Dies sei auch eine Möglichkeit, etwa
auf größere Corona-Ausbrüche zu reagieren. SPD-Fraktionsvize Dagmar
Schmidt sagte: «Ich würde mich sehr freuen, wenn sich die Länder an
den Kosten beteiligen und so kostenfreie Bürgertests ermöglichen.»

Die Länder-Ressortchefs hatten allerdings erst am Vortag nach einer
Konferenz mit Lauterbach signalisiert, dass sie keine Spielräume für
eine Kostenbeteiligung sähen. Die Ampel-Haushälter Karsten Klein
(FDP), Svenja Stadler (SPD) und Paula Piechotta (Grüne) monierten,
dass keine tragfähige Vereinbarung über eine gemeinsame Finanzierung
erzielt werden konnte. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte:
«Infektionsschutz darf nicht vom Geldbeutel anhängen.» Die Länder
müssten ihre Verantwortung wahrnehmen und die drei Euro übernehmen.

Corona-Spurensuche und mehr Kontrollen

«Wir wollen durch die Bürgertests Infektionsketten auch in Zukunft
durchbrechen», sagte Lauterbach. Es sei damit zu rechen, dass die
Zahl der Tests sinke. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte
davor, Pflegebedürftige daheim und ihre Angehörigen bei kostenlosen
Vorbeuge-Tests auszuschließen. «Die Regierungschefs der Länder sind
gefordert, den Fehler durch eine Kostenübernahme für diese besonders
gefährdeten Menschen zu revidieren», sagte Vorstand Eugen Brysch.

Das neue Konzept soll auch auf diverse Fälle von Abrechnungsbetrug
mit Tests reagieren. Dafür soll unter anderem die Kontrollfrequenz
erhöht werden, wie Lauterbach sagte.

Dominierende Variante BA.5 - Sommerwelle rollt

Die leichter übertragbare Omikrom-Sublinie BA.5 ist wie erwartet nun
auch nach offiziellen Daten vorherrschend in Deutschland. Der Anteil
in einer Stichprobe von vorletzter Woche lag bei 50 Prozent, wie aus
dem Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Derzeit
ist bereits von höheren Werten auszugehen. Dies treibt die
Corona-Sommerwelle an. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag laut RKI nun bei
618,2 - nach 532,9 gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in
sieben Tagen am Vortag und 427,8 vor einer Woche.

Der Virologe Christian Drosten sagte, er rechne nach den Sommerferien
mit einer hohen Zahl neuer Fälle. Wenn nichts getan werde, werde es
im Arbeitsleben viele krankheitsbedingte Ausfälle geben, sagte er dem
«Spiegel». «Die BA.5-Variante ist einfach sehr übertragbar, und die

Menschen verlieren gleichzeitig ihren Übertragungsschutz aus der
letzten Impfung.» In anderen Ländern sehe man, dass bei sehr hohen
Fallzahlen auch Hospitalisierungs- und Todeszahlen stiegen. Das werde
auch in Deutschland so sein, es würden aber viel weniger Menschen
schwer erkranken und sterben als 2021.