Bundestag ringt um Neuregelung der Sterbehilfe Von Basil Wegener, dpa

Vor zwei Jahren kippte Karlsruhe das Verbot der Sterbehilfe als
Dienstleistung. Nun wird über ein neues Gesetz beraten. Dabei prallen
die Vorstellungen aufeinander.

Berlin (dpa) - Ernst und emotional haben die Abgeordneten des
Bundestags eine mögliche Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland
debattiert. In erster Lesung wurden am Freitag drei
fraktionsübergreifende Entwürfe ins Gesetzgebungsverfahren
eingebracht. Die Entwürfe sollen nun in den Bundestagsausschüssen
weiter beraten werden.

Mehrere Abgeordnete setzten sich für einen Gruppenantrag ein, mit dem
die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich un
ter
Strafe gestellt werden soll. Für Volljährige soll es eine Ausnahme
geben. Gestärkt werden soll die Suizidprävention. Es solle nicht als
normales Mittel empfunden werden, das Leben zu beenden, sagte der
CDU-Abgeordnete Patrick Schnieder, der für diese Gruppe sprach. «Das
wollen wir verhindern», so Schnieder.

«Hohe Hürden für geschäftsmäßige Suizidassistenz»:

Die SPD-Abgeordnete Heike Baehrens sprach sich für «hohe Hürden für

geschäftsmäßige Suizidassistenz» aus. Sie sagte: «Sterben ist nic
ht
leicht, den Tod herbeizuführen muss schwerer sein.» Zugleich warb
Baehrens für einen respektvollen Umgang bei der weiteren Debatte.

Katrin Helling-Plahr (FDP) plädierte für einen weitergehenden
Gesetzentwurf. Das Recht auf einen selbstbestimmten Tod soll so
legislativ abgesichert werden. Klargestellt werden solle, «dass die
Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist», so der Entwurf.

«Ich möchte, dass wir Betroffenen in den Beratungsstellen jede
helfende Hand reichen», sagte Helling-Plahr. «Wenn sie sich aber
entscheiden, gehen zu wollen, dürfen wir sie aber auch dann nicht
alleine lassen.» Dann dürfe es keinen erhobenen Zeigefinger geben.
Den Betroffenen müsse man vielmehr sogar behilflich sein. Die
FDP-Politikerin warnte vor der Schaffung eines neuen Straftatbestands
in diesem Bereich.

Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh, der ebenfalls für diese Gruppe
sprach, führte das Beispiel einer 90-jährigen Frau an, «deren Mann
verstorben war, die auch sehr krank war (...), sich einsperrte, das
mitteilte und zu Tode hungerte». Solche grausamen Fälle müssten
verhindert werden.

Entwurf für Zugang zu Betäubungsmitteln:

Eine weitere Gruppe unter anderem um die frühere
Grünen-Bundesministerin Renate Künast hatte den Entwurf eines
«Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben»
vorgelegt. Es soll Betroffenen sicheren Zugang zu bestimmten
Betäubungsmitteln eröffnen.

Unter anderem Lukas Benner (Grüne) sprach für diesen Antrag. Heute
finde Sterbehilfe oft in einer Grauzone statt, unter Zuhilfenahme
einer «Rechtslücke» und oft ohne ausreichende Beratung, sagte Benner.

Der Zustand könne so nicht bleiben. Ein Unterschied zum Entwurf von
Helling-Plahr sei es, dass nicht nur Ärztinnen und Ärzte bei einem
Sterbewunsch eingeschaltet werden sollten, sondern auch eine Behörde.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts:

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 ein Verbot der auf
Wiederholung angelegten Sterbehilfe gekippt. Die Karlsruher Richter
arbeiteten ein Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben
heraus. Der damalige Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle stellte klar:
«Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen.»

Im Dezember 2015 hatte der Gesetzgeber Sterbehilfe als Dienstleistung
verboten. Bis zu drei Jahre Haft waren vorgesehen. Professionellen
Sterbehelfern, die tödliche Medikamente stellen oder eine
Sterbewohnung organisieren, sollte das Handwerk gelegt werden. Auch
von dem Verbot getroffen wurden schwerkranke Menschen, die auf die
Unterstützung von Sterbehilfe Deutschland und anderer Suizidhelfer
vertraut hatten.

Folgen des Urteils:

Als die Karlsruher dieses Verbot kippten, stellten sie fest, ohne die
Möglichkeit, sich Hilfe bei Dritten zu suchen, werde das Recht auf
selbstbestimmtes Sterben «faktisch weitgehend entleert». Aktive
Sterbehilfe - also die Tötung auf Verlangen - blieb dagegen verboten.
Ärztinnen und Ärzte waren nach dem Urteil weiterhin auch nicht
verpflichtet, Suizidhilfe zu leisten - müssen seither aber keine
Strafverfolgung mehr befürchten.

Das Urteil stieß eine Tür für organisierte Angebote auf. Ein «breit
es
Spektrum an Möglichkeiten» sahen die Richter allerdings, die
Sterbehilfe zu regulieren. Wie eine neue Regulierung gegebenenfalls
aussieht, ist nun Gegenstand der weiteren parlamentarischen
Beratungen.