Handwerker nach Krawallen vor Reichstagsgebäude vor Gericht

Der Protest gegen staatliche Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie hat
2020 Tausende Menschen auf die Straße getrieben. Teils kam es zu
heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstrationen und der Polizei. Ein
Fall beschäftigt in Berlin das Gericht.

Berlin (dpa/bb) - Fast zwei Jahre nach Krawallen am Reichstagsgebäude
steht in Berlin ein Mann vor Gericht, der damals Polizisten beleidigt
und angegriffen haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm
Beleidigung, versuchte Körperverletzung sowie Widerstand und
tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte vor. Der 49-Jährige habe
am 29. August 2020 einer Gruppe von etwa 1000 Menschen angehört, die
sich nach einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen vor dem
Reichstagsgebäude versammelt hatte. Einige von ihnen stürmten auf die
Treppe des Bundestags. Dem Angeklagten wird das nicht vorgeworfen.

Das Amtsgericht Tiergarten hatte im September 2021 einen Strafbefehl
gegen den Mann erlassen. Danach sollte der selbstständige Handwerker
eine Geldstrafe von 1800 Euro zahlen. Dies hält der 49-Jährige jedoch
nicht für gerechtfertigt und legte Einspruch ein, sodass es nun am
Freitag zur Verhandlung kam.

«Ich war sehr aufgebracht. Ich war auch allgemein sehr beleidigend»,
räumte der Mann vor Gericht ein. Wenn er die Videoaufnahmen von dem
Geschehen betrachte und sich anschaue, wie er sich verhalten habe,
sei ihm das unangenehm, sagte er. «Ich hatte wirklich eine große
Klappe.» Der Mann bestritt jedoch, Polizisten angegriffen zu haben.
«Ich bin kein Schläger», betonte der Vater zweier Kinder.

Der Mann vertritt sich selbst vor Gericht. Für einen Anwalt fehlt ihm
das Geld, wie er sagt. Als selbstständiger Handwerker «schlage er
sich durch». Nach seinen Angaben war der 49-Jährige am Tattag
zunächst bei einer Demonstration gegen staatliche Corona-Maßnahmen
auf der Straße des 17. Juni. Später sei er mit seiner Freundin zum
Reichstagsgebäude gezogen. Man habe von den Geschehnissen auf der
Treppe gehört. «Wir waren neugierig und sind dahingelaufen.»

Vor dem Reichstagsgebäude standen sich dann eine Gruppe von Menschen
und die Polizei gegenüber. Die Stimmung war aufgeheizt. Dabei soll
der Angeklagte einen Polizisten unter anderen als «Volksverräter»
beleidigt haben. Einer der betroffenen Polizisten hatte daran keine
konkreten Erinnerungen, es seien abfällige Bemerkungen gefallen. Der
Beamte berichtete, dass er dem Mann mehrere Seitenschläge versetzt
habe. Weitere Polizisten sollen nun bei der Fortsetzung des Prozesses
am 8. Juli (9.15 Uhr) gehört werden.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben bislang 85
Verfahren im Zusammenhang mit den Geschehnissen vom 29. August 2020
bearbeitet. Weil Beweise nicht ausreichten oder Täter nicht
identifiziert werden konnten, seien 51 Verfahren eingestellt worden.
In 9 Fällen habe die Behörde eine Verurteilung per Strafbefehl
beantragt. Drei solcher Fälle seien rechtskräftig abgeschlossen.