Aus für Corona-Impfpflicht in Österreich - «Gräben zuschütten»

Erst war Österreich in Europa Vorreiter, dann begann das Land bei der
Durchsetzung der Corona-Impfpflicht zu zögern. Jetzt ist sie gänzlich
Geschichte - und das aus mehreren Gründen.

Wien (dpa) - Die Corona-Impfpflicht in Österreich wird abgeschafft.
Das teilte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Donnerstag
in Wien mit. Das Gesetz lag zuletzt ohnehin auf Eis. «Die Impfpflicht
bringt niemanden zum Impfen», sagte Rauch. Auch sei der Verlauf der
Krankheit bei Omikron meist milder als bei der Delta-Variante des
Virus', die bei der Ankündigung des Schritts im November 2021 noch
dominiert habe. «Omikron hat die Regeln verändert», so Rauch.

Die Impflicht galt ab Februar. Sie wurde von allen Parlamentsparteien
bis auf die rechte FPÖ unterstützt. Österreich war damit Vorreiter in

der EU. In anderen Ländern gab es nur altersspezifische Vorschriften.
Ursprünglich war in Österreich geplant, ab 15. März allen, die sich
weigern, eine Geldstrafe von bis zu 3600 Euro anzudrohen. Doch schon
Anfang März hatte sich eine Abkehr von der Impfpflicht angedeutet.
Damals erklärte die Regierung aus konservativer ÖVP und Grünen, die
Vorgabe sei bei der vorherrschenden Omikron-Variante nicht
verhältnismäßig.

In Deutschland war ein fraktionsübergreifender Entwurf für eine
allgemeine Impfpflicht zunächst ab 60 Jahren im April im Bundestag
klar gescheitert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte klar, dass
er danach keine Basis für einen erneuten Anlauf sieht.

Die Debatte um die Impfpflicht habe in Österreich tiefe Gräben unter
Familien, Vereinen und in Betrieben aufgerissen, sagte Rauch. Gerade
in einer Zeit, die durch viele Sorgen, massive Teuerung und den
Ukraine-Krieg geprägt sei, brauche die Gesellschaft aber Solidarität.
Mit Blick auf neue Corona-Wellen müsse die Bevölkerung von der
Sinnhaftigkeit einer Auffrischungsimpfung überzeugt werden. «Wir
bekommen das nur hin, wenn die Bereitschaft auf Freiwilligkeit fußt»,
sagte Rauch.

Mit dem Aus schafft sich das Bündnis aus ÖVP und Grünen ein vielfach

ungeliebtes Kind vom Hals - nicht von ungefähr, kurz bevor im Herbst
ein Marathon von vier Landtagswahlen und einer Bundespräsidentenwahl
beginnt. Die FPÖ hatte mit ihrer scharfen Kritik an der Impfpflicht
vielfach Anklang gefunden und große Demonstrationen organisiert. Die
Anfang 2021 gegründete Impfskeptikerpartei MFG (Menschen - Freiheit -
Grundrechte) feierte beachtliche Erfolge bei Kommunal- und
Landtagswahlen.

Trotz der Drohung mit der Impfpflicht war das Interesse an einer
Injektion seit Jahresbeginn deutlich zurückgegangen. Seit März
herrscht eine besonders ausgeprägte Flaute bei den Impfstationen. Am
Mittwoch bekamen nur 140 Menschen erstmals eine Injektion. 3500
erhielten eine Zweitstich oder eine Auffrischungsimpfung. 62,4
Prozent der Österreicher verfügen über einen gültigen Impfschutz.


Ähnlich wie in Deutschland steigen aktuell die Zahlen der
Corona-Neuinfektionen deutlich. Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000
Einwohner liegt in Österreich bei etwa 550. Jüngst kletterte die Zahl
der Patienten auf den Normalstationen der Krankenhäuser wieder. Auf
den Intensivstationen ist die Situation bisher unverändert. Die
Belegung der Betten mit Covid-19-Patienten ist dort ähnlich niedrig
wie im Sommer 2021.