AfD-Fraktion scheitert mit Eilantrag zu verwehrten Ausschussvorsitzen

Als einzige Fraktion im Bundestag führt die AfD in keinem Ausschuss
den Vorsitz - die anderen Parlamentarier wollen ihre Kandidaten nicht
mittragen. Das Bundesverfassungsgericht will das genauer prüfen. Die
Richter sehen aber keinen Anlass, sofort einzugreifen.

Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht verhilft der
AfD-Fraktion nicht per einstweiliger Anordnung zu ihren drei
Ausschussvorsitzen im Bundestag. Die Karlsruher Richterinnen und
Richter lehnten es ab, die von den anderen Abgeordneten nicht
gewählten AfD-Kandidaten mit sofortiger Wirkung vorläufig
einzusetzen. Die abschließende Entscheidung im Hauptverfahren steht
aber noch aus. Es sei «nicht von vornherein völlig ausgeschlossen»,
dass hier Rechte der AfD-Fraktion verletzt seien, teilte das höchste
deutsche Gericht am Donnerstag mit. (Az. 2 BvE 10/21)

Die Ausschüsse werden in jeder Wahlperiode neu benannt und besetzt.
«Die Ausschussvorsitzenden haben eine bedeutende Position», heißt es

auf der Homepage des Bundestags. Sie bereiten die Sitzungen vor,
berufen sie ein und leiten sie. Welche Fraktion welchem Ausschuss
vorsitzt, wird im Ältestenrat ausgehandelt. Kommt es - wie nach der
Wahl im September - zu keiner Einigung, wird aus der Stärke der
Fraktionen eine Zugriffsreihenfolge berechnet. Nach dieser Rangfolge
dürfen sich die Fraktionen im Wechsel ihre Ausschüsse aussuchen.

An die AfD waren so der Innen- und der Gesundheitsausschuss sowie der
Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit gefallen. Üblicherweise
benennen die Fraktionen für ihre jeweiligen Ausschüsse dann auch
einfach den oder die Vorsitzende - nur bei Widerspruch wird gewählt.

Dabei hatten die anderen Abgeordneten am 15. Dezember in allen drei
Ausschüssen die AfD-Kandidaten durchfallen lassen. Ein zweiter Anlauf
am 12. Januar endete mit dem gleichen Ergebnis. Im Moment werden die
drei Ausschüsse von ihren stellvertretenden Vorsitzenden geleitet.
Die AfD spricht von einem Bruch jahrzehntelanger Gepflogenheiten.

Im Eilverfahren prüfen die Richter den Sachverhalt noch nicht
vertieft. Vereinfacht gesagt geht es darum, ob dem Kläger bis zur
eigentlichen Entscheidung nicht wiedergutzumachende Nachteile
entstehen. Bei dieser Folgenabwägung ging hier zulasten der AfD, dass
diese auch ohne Vorsitz durch ihre Ausschussmitglieder an der
politischen Willensbildung «in vollem Umfang» mitwirken könne. Denn
der oder die Vorsitzende habe keine eigenständigen Kontrollrechte.

Auf der anderen Seite sehen die Richterinnen und Richter die
Arbeitsfähigkeit der Ausschüsse gefährdet, wenn diese vorübergehend

von einer Person geleitet würden, «die das Vertrauen der
Ausschussmehrheit offensichtlich nicht besitzt». Hier gehe es auch um
das freie Mandat und die Geschäftsordnungsautonomie des Bundestags.

Im Hauptverfahren wollen die Richterinnen und Richter des Zweiten
Senats nun klären, ob die Geschäftsordnung des Bundestags «eine freie

Wahl der Ausschussvorsitze zulässt», wie sie weiter mitteilten. Dabei
sei zu prüfen, ob dadurch Rechtspositionen der AfD-Fraktion
beeinträchtigt sein könnten und ob dies zulässig sei.

Schon in der vorangegangen Wahlperiode hatte es Streit gegeben.
Damals hatte der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner zwar zunächst in
geheimer Wahl die notwendige Mehrheit erhalten, um den Vorsitz im
Rechtsausschuss zu übernehmen. Im November 2019 wurde er aber wieder
abberufen - ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestags.
Grund dafür waren mehrere Eklats, die Brandner ausgelöst hatte.

Auch hierzu läuft noch ein Verfahren in Karlsruhe. Einen Eilantrag
der Fraktion auf Wiedereinsetzung Brandners hatten die Richter im Mai
2020 abgelehnt - unter anderem mit der Begründung, dass die AfD ihre
Beeinträchtigung durch die Benennung eines anderen Kandidaten selbst
verringern könne. Sie hatten damals aber auch auf den Grundsatz der
Gleichbehandlung der Fraktionen verwiesen. Eine effektive Opposition
dürfe nicht auf das Wohlwollen der Mehrheit angewiesen sein.