Zugang zu kostenlosen Corona-Bürgertests soll beschränkt werden

Eine Testbude an jeder Ecke, Gratis-Schnelltests für alle,
Milliarden-Kosten für den Staat - damit soll bald Schluss sein,
zumindest nach dem Willen des Gesundheitsministers. Findet Karl
Lauterbach damit Zustimmung auch im Kreis seiner Länder-Kollegen?

Berlin (dpa) - Der Zugang zu den kostenlosen Corona-Bürgertests soll
nach dem Willen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach schon bald
deutlich eingeschränkt werden. Nur noch Patienten mit Symptomen
sollen dafür infrage kommen, dazu andere ausgewählte Gruppen wie
Kleinkinder und Schwangere. Dies geht aus der
«Corona-Herbststrategie» des Ministeriums hervor, die der Deutschen
Presse-Agentur vorliegt. Zuvor hatte das Redaktionsnetzwerk
Deutschland (RND) darüber berichtet. Gratis-Schnelltests für alle
Bürger sind bisher nur bis Ende Juni fix.

Lauterbach (SPD) sagte in der Nacht zum Mittwoch in der ARD-Sendung
«Maischberger» zu den Bürgertests, er hätte diese «gerne
eingeschränkter und besser kontrolliert». Den Ländern hielt er vor,
diese wollten die Gratis-Tests zwar weiter haben, sich aber nicht an
den Kosten beteiligen.

Kostenlos soll das Testen künftig laut Gesundheitsministerium unter
anderem für folgende Fälle und Gruppen bleiben:

- Präventive Tests in Pflegeheimen und Krankenhäusern

- eine sich ausbreitende Infektionslage in «Hotspots»

- Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine

- Personen mit erhöhten Kontakten, etwa vor Großveranstaltungen

In ganz Deutschland wurden an die kommerziellen Betreiber der
Teststationen schon 10,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Dabei gab es
viel Missbrauch: Ermittler gehen von einer Betrugssumme von
mindestens einer Milliarde bis hin zu 1,5 Milliarden Euro aus. Dazu
heißt es in dem Strategiepapier: «Durch mehr Kontrollen soll Betrug
zurückgedrängt werden.»

Trotz der Beschränkungen soll eine gut erreichbare Test-Infrastruktur
- auch in Apotheken - aufrecht erhalten bleiben, schreibt das
Ministerium weiter. Auch sollen die Preise für Schnelltests und für
PCR-Tests gesenkt werden.

An diesem Mittwoch beginnen zweitägige Beratungen der
Gesundheitsminister in Magdeburg. Die Infektionszahlen sind zuletzt
wieder gestiegen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wies Forderungen aus den
Ländern zurück, schnell eine Rechtsgrundlage für weitergehende
Corona-Beschränkungen zu schaffen. Es gebe einen «wohlüberlegten und

seriösen Zeitplan» der Bundesregierung, dem sich auch alle
Ministerpräsidenten auf ihrer letzten Konferenz angeschlossen hätten,
sagte er dem RND. Am 30. Juni lege der Ausschuss unabhängiger
Sachverständiger seinen Bericht vor, der die Pandemie-Maßnahmen
auswerte. Dem wolle man nicht vorgreifen.

Kassenärztechef Andreas Gassen sprach sich trotz gestiegener
Infektionszahlen gegen eine Ausweitung der Maskenpflicht aus. «Das
Narrativ war immer, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet
werden dürfe», sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung dem RND. Es gebe zwar aktuell hohe
Infektionszahlen, die Erkrankungsverläufe seien aber überwiegend
leicht. «Viele Betroffenen merken es nicht einmal.» Deshalb könnten
höhere Infektionszahlen allein nicht Grundlage für Maßnahmen sein,
«etwa für eine erneute Maskenpflicht». Ein Mund-Nasen-Schutz muss
derzeit im Alltag vor allem noch in öffentlichen Verkehrsmitteln
getragen werden. Gassen forderte zudem ebenfalls, bald die
anlasslosen Bürgertests zu stoppen. «Sie bringen sehr wenig und
kosten sehr viel», kritisierte er.

Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit warnte davor, die
Wirkung der Masken zu überschätzen. Zwar könnten richtig getragene
FFP2-Masken vor einer Infektion schützen, andere Maßnahmen seien aber
effizienter und sollten vor einer Maskenpflicht eingeführt werden.
Der Virologe nannte im RND-Interview als Beispiel das Arbeiten im
Homeoffice.

In der Debatte um Änderungen am Infektionsschutzgesetz sprachen sich
die Kinder- und Jugendärzte in Deutschland gegen anlassloses Testen
an Schulen aus und dringen darauf, dass Kitas und Schulen geöffnet
bleiben müssen - auch bei steigenden Infektionszahlen und auch in
Hotspots. Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und
Jugendärzte, Thomas Fischbach, sagte der «Rheinischen Post»
(Mittwoch): «Die Zahlen verhaltensauffälliger oder übergewichtiger
Kinder haben stark zugenommen, besonders Kinder aus bildungsfernen
Haushalten leiden. Sie müssen aufgefangen werden.» Anlasslose
Massentests in den Schulen seien unnötig. «Wer Symptome hat, sollte
getestet werden. Eine Maskenpflicht im Unterricht sollte es nur in
Hotspots geben.»

Die oppositionelle Union forderte für den Herbst auch genauere Daten
zur Immunität in Deutschland, um eine mögliche Lücke durch gezielte
Impfkampagnen zu schließen. Bis heute sei unklar, wie groß sie nach
Impfungen und durchgemachten Infektionen wirklich sei, heißt es in
einer Erklärung der Gesundheitspolitiker von CDU und CSU. Daher
sollten rasch eine repräsentative Antikörperstudie gemacht und ein
datenschutzkonformes, unbürokratisches Impfregister errichtet werden.
Zu der seit März greifenden Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in
Kliniken und Pflegeheimen solle dem Bundestag bis 30. September eine
Auswertung vorgelegt werden. Die Bundesregierung müsse zudem klären,
ob diese Impfpflicht noch über den 31. Dezember hinaus gelten soll.