WHO: Mindestpreise für Alkohol können gerade starke Trinker schützen Von Steffen Trumpf, dpa

Wie hält man starke Trinker davon ab, zu viel Schnaps zu trinken und
damit die eigene Gesundheit zu ruinieren? Die WHO Europa hält
Mindestpreise für alkoholische Getränke für ein äußerst wirksames

Werkzeug. Vielerorts in Europa gibt es in der Hinsicht Nachholbedarf.

Kopenhagen (dpa) - Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) macht sich
für Mindestpreise für alkoholische Getränke in Europa stark. Die
WHO-Region Europa sei diejenige mit dem höchsten Anteil an durch
Alkoholkonsum verursachten Todesfällen weltweit - etwa 12 Prozent bei
Männern und 8 Prozent bei Frauen, erklärt das in Kopenhagen sitzende
Regionalbüro der Organisation in einem am Dienstag veröffentlichten
Bericht. Der übermäßige Konsum führe zu erhöhten Gesundheitsausga
ben
sowie indirekten Kosten durch Einkommens- und Produktivitätsverluste.

Mindestpreise für Alkohol und eine gezielte Besteuerung gehörten zu
den wirksamsten und kostengünstigsten Maßnahmen, um den Alkoholkonsum
und seine gesundheitsschädlichen Folgen zu reduzieren, betonen die
Experten in ihrem Bericht. Dennoch werde von einer Mindestbepreisung
in Europa und der Welt noch immer viel zu wenig Gebrauch gemacht.
Dabei könne ein Mindestpreis vor allem den Zugang zu billigem Alkohol
beschränken, der besonders mit starkem Alkoholkonsum verbunden werde.

Der WHO-Bericht trägt den Titel «Kein Platz für billigen Alkohol: Der

potenzielle Wert von Mindestpreisen zum Schutz von Menschenleben».
Darin lässt die Organisation keinen Zweifel daran, dass sie eine
Mindestbepreisung und Besteuerung von Alkohol für äußerst effektiv im

Kampf gegen Alkoholismus und seine Folgen für die Gesundheit hält.
Besonders einen Mindeststückpreis (minimum unit price, MUP), bei dem
ein Niveau festgelegt wird, unter dem eine bestimmte Menge Alkohol
nicht verkauft werden darf, hält die WHO für sinnvoll.

Da diese Maßnahme an den Alkoholgehalt eines Getränks gekoppelt ist,
wird der Preis für stärkere Spirituosen immer höher liegen als bei
alkoholärmeren Getränken. Damit handle es sich um den wirksamsten
Ansatz gegen billige, hochprozentige Getränke, die am stärksten mit
größeren Alkoholschäden in Verbindung gebracht würden, erklärte d
ie
WHO. Dies sei besonders wichtig zum Schutz von stärkeren Trinkern,
vor allem denjenigen aus einkommensschwachen Schichten.

«Mindestpreise stellen einen wirksamen Ansatz dar, um Alkoholkonsum
und -schäden zu reduzieren», sagte der am Bericht beteiligte
Wissenschaftler Colin Angus von der Universität Sheffield. Ihr
Hauptvorteil liege darin, dass sie auf billige, hochprozentige
Produkte abzielten und somit gerade stärkere Trinker schützen
könnten.

Die WHO zählt 53 Länder zur Region Europa, darunter neben der EU au
ch
weite Teile Osteuropas und Zentralasiens. Nur in elf der Staaten gebe
es in irgendeiner Form einen Mindestpreis auf bestimmte alkoholische
Getränke, die meisten davon auf Wodka und andere hochprozentige
Spirituosen - Deutschland zählt nicht dazu, aus der EU nur Irland und
die Slowakei. Durchschnittlich lag der Mindestpreis in diesen elf
Staaten 2020 bei 2 bis 5 Dollar pro Liter Bier, bei 5 bis 12,50
Dollar pro Liter Wein und 12,50 bis 40 Dollar pro Liter Wodka.

Die Mindestbepreisung von Alkohol ist den WHO-Experten zufolge eine
Maßnahme, die gemeinsam mit anderen Instrumenten wie Alkoholsteuern
ihre bestmögliche Wirkung entfalten könnte. «Es ist keine
Wunderwaffe, sondern ein weiteres wirksames Werkzeug im Arsenal der
politischen Entscheidungsträger, um alkoholbedingte Schäden
anzugehen», sagte Angus.

In allen Ländern Europas gibt es dem Bericht zufolge irgendeine Form
von Alkoholsteuer. Doch oft werde sie nicht so umgesetzt, dass sie
wahrscheinlich zur Gesundheit der Bevölkerung beitrage. Die Mehrheit
der Länder passten die Alkoholsteuern zudem nicht an die Inflation an
- das bedeutet laut WHO letztlich, dass der Alkohol mit der Zeit
billiger wird. Deutschland justiert den Steuersatz für Bier, Wein,
Spirituosen und andere alkoholische Getränke laut WHO-Auflistung
dagegen regelmäßig, um mit der Inflation und Lohnerhöhungen Schritt
zu halten - anders als etwa die deutschen Nachbarstaaten Dänemark,
Polen, Schweiz und Niederlande.

Alkohol ist nach WHO-Angaben weltweit für schätzungsweise drei
Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich, fast eine Million davon
in der WHO-Region Europa. Anders formuliert: In Europa sterben jeden
Tag rund 2500 Menschen aufgrund von Alkoholkonsum.