«Chance für einen Neubeginn» - Optimismus in Krisenzeiten Von Stephanie Lettgen, dpa

Positiv denken, Zuversicht verbreiten - wie geht das in Krisenzeiten?
Überwiegt derzeit bei den Deutschen der Pessimismus? Zukunftsforscher
Opaschowski und der Hamburger Club der Optimisten sehen
Widerstandskräfte gegen Krisenängste.

Hamburg (dpa) - Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine, Inflation -
düstere Nachrichten bestimmen seit Monaten unseren Alltag. Wie sehr
trübt das den Blick in die Zukunft? «Es ist entgegen der weit
verbreiteten Meinung nicht der Fall, dass in Krisenzeiten der
Pessimismus vorherrscht», sagt der Hamburger Zukunftsforscher Horst
Opaschowski (81). Bei einer repräsentativen Umfrage seines Instituts
im März 2022 hätten 78 Prozent der Befragten angegeben, optimistisch
in die Zukunft zu blicken. «Ohne positives Denken, ohne Zuversicht
und ohne die optimistische Erwartung, dass es besser wird, kann der
Mensch auf Dauer nicht überleben.»

Optimistisch sein und es auch in Krisenzeiten bleiben - so lautet die
Devise des Hamburger «Clubs der Optimisten». Rund 200 Mitglieder,
viele davon Unternehmer, hat der 2005 in der Hansestadt gegründete
Club. Nach dessen Angaben treffen sich die stets positiv
eingestellten Mitglieder regelmäßig, um sich über aktuelle, auch
schwierige Themen auszutauschen und gemeinsam den Blick in eine
hoffnungsvolle Zukunft zu werfen.

«Mit Optimismus ist das Leben leichter», sagt der Vorsitzende Lutz
Peter Eklöh in einem Gespräch an einem sonnigen Tag an der Alster. An
seinem Jackett ist ein kleiner schwarzer Smiley zu sehen - das Symbol
des Clubs der Optimisten. Er vergibt einmal jährlich die Auszeichnung
«Optimist des Jahres».

Der 60-Jährige betont: «Optimismus hat nichts mit Dauergrinsen zu
tun.» Der Blick auf die Welt lasse sich auch verändern: «Es gibt
gelernte Pessimisten, die sich dann zu Optimisten entwickeln.»
Optimismus bedeute für ihn, aus Gelegenheiten, die sich einem
Menschen bieten, das Beste herauszuziehen. «Es gibt eigentlich keine
Situation, aus der man nicht irgendwas ziehen kann.» Das habe nichts
mit Schönreden zu tun.

«Krisen sorgen dafür, neue Lösungsansätze zu finden», ist Eklöh

überzeugt. In relativ kurzer Zeit könne man Einsichten erlangen, für

die man sonst viel mehr Zeit gebraucht hätte. Beispiel
Corona-Pandemie: «Natürlich ist es immer schmerzhaft, Menschenleben
zu verlieren», sagt Eklöh. «Auch Einbußen des Privatlebens haben wi
r
hinnehmen müssen.» Aber neben all dem hätten sich auch positive
Energien entwickelt. Beispiele: «Die Arbeitswelt hat sich verändert -
auch zum Positiven.» Beim Thema Globalisierung habe man in dieser
Zeit gesehen, wie empfindlich das System sei. «Aber auch daraus kann
Neues entstehen», betont der Unternehmer.

Zukunftsforscher Opaschowski hat festgestellt: «Die Krise hat die
Deutschen nachhaltig verändert - zum Besseren.» In den
Wohlstandszeiten der 1980er und 1990er Jahre sei vielfach Jammern auf
hohem Niveau angesagt gewesen. «Das europäische Ausland machte sich
schon lustig über die «German Angst», berichtet der Wissenschaftler.

«Jetzt, in den Dauerkrisenzeiten zwischen Pandemie und Ukrainekrieg,
erinnern sich die Deutschen wieder an eigene Kriegs- und
Nachkriegszeiten, an Einschränkungen und Entbehrungen.» Diese
historische Erfahrung und Erinnerung setze Widerstandskräfte gegen
Krisenängste frei, sagt Opaschowski.

Trotz der anhaltenden Krisenzeit herrsche Zuversicht vor - ein
realistischer und vorsichtiger Optimismus. «Das ist die Fähigkeit der
Deutschen, selbst in schweren Stunden und Zeiten dem Leben irgendwie
eine positive Seite abzugewinnen», sagt Opaschowski. Er selbst ist
überzeugt: «Nach jeder Krise geht es immer wieder weiter - als Chance
für einen Neubeginn.»